Der Grabesstille zuhören
Von Birgit Braunrath
Gräber sind nicht stumm. Nur still. Sie erzählen leise, aber eindringlich von der Endlichkeit.
über Friedhöfe und Allerheiligen
Wer in der Stadt einen Moment der Stille sucht, muss aufs Land fahren. Oder auf einen Friedhof gehen.
Friedhöfe sind die letzte Zuflucht der Stille. Selbst in Bibliotheken, Kirchen und Schulklassen ist sie nicht mehr heimisch. Die Stille wird nicht mehr gebraucht.
Nur zwischen den Gräbern wird sie weder von Aufzugsmusik noch von Klingeltönen verdrängt. Denn Tote haben keine Aufzüge. Und noch keine Handys. Sogar Berieselung erfolgt auf Friedhöfen geräuschlos, mittels Schneeflocken oder Regentropfen. Auch Sirene und Folgetonhorn hört man hier höchstens aus der Ferne, weil es am Ende niemand mehr eilig hat.
Doch Friedhöfe sind nicht stumm. Nur still. Sie erzählen leise, aber eindringlich von der Endlichkeit. Vom Auf- und vom Ableben, ohne das eine Biografie nur ein Fragment, aber kein Leben ist. Und davon, dass einem hier kein Geld der Welt das Weiterleben in den Herzen der Hinterbliebenen sichern kann – diesen Platz hat man sich entweder zu Lebzeiten gesichert, oder man ist unwiderruflich tot. All das kann man deutlich hören, wenn man der Grabesstille lauscht.