Meinung/Kolumnen/Ohrwaschl

Angst

Der Großvater wieder fürchtete vor allem das Burgtheater

Guido Tartarotti
über die Ängstlichen

Die Großmutter des Autors dieser Zeilen wusste schon vor 20 Jahren, wo es wirklich lebensgefährlich ist: In der Wiener U-Bahn. Denn dort seien Horden von Unholden unterwegs, die sengend und brennend Jagd auf gesetzestreue Bürger machten. Der Großvater wieder fürchtete vor allem das Burgtheater: Die Inszenierungen dort würden nur noch aus Sex bestehen, unnackte Schauspieler hätten keine Chance, die Bühne zu betreten.

Das Interessante daran: Die Großmutter fuhr in ihrem ganzen Leben niemals mit der Wiener U-Bahn, und der Großvater hat nie das Burgtheater von innen gesehen.

Zurück in die Gegenwart: Bei der Abstimmung in der Schweiz stimmten am Land mehr Menschen für Zuwanderungsbeschränkungen als in der Stadt – die Angst vor Ausländern ist also dort größer, wo es weniger Ausländer gibt.

Die Ängstlichen soll man ernst nehmen. Man soll sie mit ihren Ängsten nicht allein und damit den Demagogen überlassen. Aber manchmal muss man ihnen auch sagen, dass nicht jede Angst begründet ist.