Kalter Herbst
Möglichst viel, möglichst unbeschwert, möglichst unterhaltsam – willkommen in der Adoleszenz, jener Phase des Lebens, in der junge Menschen einander (und sich selbst) intensiv kennenlernen. Abends geht es in Clubs, zum Konzert oder zu anderen Veranstaltungen, bei denen es grundsätzlich laut zugeht, mitunter etwas unanständig und relativ häufig sehr befreiend.
Corona hat unserer Gesellschaft auch diesen Raum genommen: Die Clubs sind flächendeckend zu, die Lokale schließen bald nach Mitternacht und die jungen Leute sind auf Unternehmungen unter offenem Himmel angewiesen. Man trifft sich also in den Gastgärten, am Donaukanal oder in Parks und sorgt dort im intensiven gemeinsamen Erleben für Grant bei den Erwachsenen, die die Hinterlassenschaften dann wegräumen dürfen.
In Wahrheit ist das alles nicht viel mehr als eine Atempause, die dem guten Wetter geschuldet ist. Was, wenn im Herbst die Temperaturen fallen? Die Clubs wieder ohne Auflagen zu öffnen, wäre fahrlässig. Die geltenden Regelungen hingegen sind so streng, dass es kaum ein Betreiber riskiert, unter diesen Bedingungen zu öffnen. Es gibt bereits jetzt schon Partys, bei denen ein Drittel der üblichen Gäste hineingelassen wird, Kontaktdaten hinterlassen müssen und verpflichtend einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Aber wer kann sich schon darauf einlassen, auf zwei Drittel der Gäste zu verzichten?
Ähnlich ist es mit Sitzkonzerten im Popbereich: Kann man machen. Es wird sich aber nur in seltenen Fällen rechnen. Und die Preise für Veranstaltungen zu erhöhen, ist angesichts der tobenden wirtschaftlichen Krise schwer umsetzbar – viele zählen aktuell ihre Notgroschen zusammen, statt zu prassen.
Eines ist aber sicher: Die Jungen werden auch im Herbst und Winter unternehmungslustig bleiben – das ist ebenso unvernünftig wie menschlich. Stehen Sie dann vor Heizschwämmen und Lautsprechern in der Gegend herum? Wird es eine Renaissance illegaler Partys in alten Lagerhäusern oder anderen leer stehenden Gebäuden kommen? Wahrscheinlich beides – und es ist unwahrscheinlich, dass sich bei solchen Feten alle Gäste darauf einlassen, ihre Kontaktdaten zu hinterlassen, falls ein Krankheitsfall dokumentiert wird.
Die politische Antwort ist also schwierig: Eine Lockerung der Regelungen wäre unverantwortlich, würde aber die heimische Unterhaltungsbranche vor einem Totalabsturz bewahren. Das Virus wird sich aber so oder so verbreiten, weil die Menschen einander treffen wollen. Ein ordnungspolitischer Horror.
Und ein psychologisches Problem: Wenn alle wieder traurig zu Hause sitzen, wird das ein besonders harter Winter werden. Wir müssen da wohl durch.