Unser Wohlstand: Gefahr in Verzug!
Der bekannte Sozialwissenschaftler Bernd Marin hat vor einiger Zeit in einem KURIER-Interview gemeint, dass jeder das Recht auf Faulheit hat, aber nicht das Recht, dass ihm andere das finanzieren. Auch wer dem zustimmt, muss akzeptieren, dass die Grenze zwischen Faulheit und Lebensqualität fließend ist. Auch der Slogan von der „Work-Life-Balance“ ist nicht unbestritten, denn er signalisiert, dass „life“ positiv ist (stimmt!) und „work“ negativ ist (stimmt nicht, denn Arbeit ist ein wesentliches Lebenselement des Menschen).
Eines ist unbestritten: wir haben die Tendenz, dass weniger gearbeitet wird. Personalchefs berichten, dass Mitarbeiter zunehmend mit dem Wunsch kommen, weniger arbeiten zu wollen, am liebsten 30 Stunden. Auch die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache, ob bei Teilzeitarbeit, Erwerbsquote oder Pensionsalter.
Österreich hat nach den Niederlanden den zweithöchsten Anteil an Teilzeitarbeit in der EU. Tendenz steigend. In Österreich arbeiten im Schnitt über 1,3 Millionen Beschäftigte als Teilzeitkraft in der Privatwirtschaft. Das ergibt eine Teilzeitquote von 30,9 Prozent.
Wir sind also auf bestem Wege zu einer Teilzeitgesellschaft mit dem Risiko der Altersarmut. Ähnlich bei der Erwerbsquote der 55–64-Jährigen. Sie beträgt 56,4 Prozent, bei Frauen allein 49,0 Prozent. Konsequenz für das faktische Pensionsalter: Es beträgt in Österreich (im Jahr 2023) bei Männern 63,3 Jahre, bei Frauen 60,6 Jahre. Das heißt, es ist um 3½ Jahre niedriger als zum Beispiel in dem für seinen hohen sozialen Standard bekannten Schweden.
Verstärkt wird diese Entwicklungstendenz durch jene politischen Märchenerzähler, die vortäuschen, dass auch bei einer 32-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich der Wohlstand erhalten bleiben kann und die Lebensqualität steigt.
Wahr ist viel mehr, dass schon durch die hohen Arbeitskosten, die teure Energie, die überbordende Bürokratie, die dritthöchste Steuer- und Abgabenquote in der EU sowie die Arbeitskräfte-Knappheit die Sorge um die Konkurrenzfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes massiv ansteigt und manche Betriebe schon Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern und damit unser Wohlstand gefährdet ist. Wenn dann noch hinzukommt, dass wir immer weniger arbeiten, wird es dramatisch. Denn bei einem Wettbewerb zwischen Gesättigten und Hungrigen weiß man immer, wer gewinnt.
Sagen wir den Menschen daher die Wahrheit, wir müssen mehr und nicht weniger arbeiten. Das ist auch eine gewaltige Herausforderung für die Politik, vor allem für das Steuer- und Sozialsystem. Wir brauchen keine Begünstigungen für weniger arbeiten, sondern steuerliche Anreize, mehr zu arbeiten. Wer zum Beispiel von 20 Wochenstunden auf 30 Stunden aufstockt, der erhält derzeit brutto 50 Prozent mehr Lohn, netto sind es allerdings nur 32,4 Prozent mehr. Hier ist der Steuertarif zu reformieren. Einen möglichen Weg dazu findet man im von Bundeskanzler Nehammer vorgeschlagenen Vollzeitbonus.
Leistung gehört belohnt. Denn bei einer Kombination aus Teilzeitgesellschaft und Pensionsparadies ist für unseren Wohlstand Gefahr in Verzug.
Günter Stummvoll (ÖVP) ist Sprecher der u.a. von der Industriellenvereinigung getragenen Initiative Standort