Meinung/Gastkommentar

Überholspur statt roter Ampel mit grüner Welle?

Wenn im Autoland Deutschland die Ampel versagt, dann ist das ein unübersehbares Warnsignal – für ganz Europa. Die Regierung wollte ursprünglich beweisen, dass sich Ökologisierung und Sozialpolitik mit soliden Staatsfinanzen und Wachstum vereinen lassen. Im Zuge des wirtschaftlichen Post-Pandemie-Aufschwungs im Rücken interpretierten die Ministerien das offenbar mit dem Auftrag, (noch) mehr Geld auszugeben. Doch spätestens Putins Angriff auf die Ukraine machte diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Die Schuldenbremse und deren Interpretation durchs Verfassungsgericht mögen eine Politik auf Kosten der kommenden Generationen nicht leiden. Zumindest die Bremse funktioniert noch im Autoland Deutschland.

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Der Motor stottert trotzdem gewaltig. Und so ließ sich nicht mehr verbergen, was sich lange abzeichnete. Erst kürzlich korrigierten die Wirtschaftsweisen die Wachstumsprognose für 2025 auf eine homöopathische Dosis. Heuer fuhr das Wachstum ohnehin schon im Rückwärtsgang. Als Konsequenz gab es nicht etwa einen Krisengipfel mit Reformagenda, sondern lediglich den Wunsch, die Schuldenbremse auszusetzen. Mit Geld lassen sich die Probleme zwar nicht lösen, aber immerhin ganz gut zuschütten, wie wir in Österreich wissen. Kanzler Scholz schaltete die Ampel auf Rot – vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Vor diesem Hintergrund bedeutet das Scheitern keine Schockstarre, sondern die Chance, wirtschaftlich wieder einen Gang höher zu schalten.

Die Koalition scheiterte daran, dass zwar punktuelle Reformwünsche vorhanden waren, diese aber in Summe keine funktionstüchtige Wirtschaft hinterließen. Diese Erfahrung haben auch wir in Österreich in fünf Jahren „Bestes aus beiden Welten“ gemacht. Und so will just in dem Moment, in dem in Deutschland das Experiment Dreier-Koalition an Inhalten zerschellte, die ÖVP eine Dreier-Koalition mit SPÖ und Neos anführen. Also mit jener Partei, die sich gründete, um den Reformstau der Großen Koalitionen aus ÖVP und SPÖ aufzulösen.

Kompromisse sind immer dann schnell gefunden, wenn alles glänzt und es nur darum geht, sprudelnde Einnahmen zu verteilen. Doch in Zeiten, in denen auch neuer Lack den Rost nicht mehr verbergen kann, reichen Kompromisse nicht mehr aus – es braucht harte Reformen. Geld fürs Verteilen gibt es ohnehin nicht mehr. Das Geld, welches einer Regierung zur Verfügung steht, hat in Österreich bereits die letzte Regierung verteilt. Jeder Euro, der neu verteilt werden soll, muss doppelt eingespart werden.

So freundschaftlich die Sondierungsgespräche inszeniert werden, so sehr wird die neue Regierung unpopuläre Reformen umsetzen müssen. Dafür sollten die Akteure ihre Parteiideologie am besten in der Parteizentrale lassen. Ohne diese Maßnahmen drohen uns in Österreich nämlich fünf Jahre Schockstarre. Und das können wir uns nicht leisten.

Hanno Lorenz ist stv. Direktor der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria