Schengen-Veto beschleunigt Lösung eines gesamteuropäischen Problems
In seinem Gastkommentar am Montag kritisiert Ioan Holender Österreichs Veto zum Beitritt Rumäniens und Bulgariens zum Schengenraum. Dem Innenminister Gerhard Karner wirft er vor, er führe Österreich mit einer postkolonialistischen Politik ins außenpolitische Abseits. Holender hat als Staatsoperndirektor gute und allgemein anerkannte Arbeit geleistet. Ich habe ihn als Kulturmanager und Citoyen zu schätzen und ernst zu nehmen gelernt. Daher möchte ich ihm ohne Polemik antworten.
Ich halte das Veto für einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zu einer gerechteren Asyl- und Migrationspolitik. Dieses ungelöste Problem lastet auf Europa und kostet eine Regierung nach der anderen die Unterstützung des Volkes. Mit seinem Veto zur Schengenerweiterung steht Österreich nicht allein, sondern wird von den Niederlanden offen und einigen anderen Ländern hinter den Kulissen unterstützt. Nur so ist es gelungen, die EU aufzurütteln und das Problem endlich auf die Tagesordnung zu bringen. Bis dahin wurden die Beschwerden ungerecht belasteter kleinerer Staaten weggewischt. Es ist in der politischen Praxis einfach so, dass die Anliegen kleinerer und mittlerer Staaten nicht berücksichtigt werden: Nur wenn sie in Gruppen auftreten oder den Mut aufbringen, mittels Veto Entscheidungen zu blockieren, werden sie plötzlich wichtige Umworbene.
Bevor Schengen erweitert wird, muss es wieder funktionstüchtig gemacht werden. Nicht nur Österreich, zahlreiche andere EU-Länder haben die Grenzkontrollen wieder eingeführt. Die beklagten Staus und Warteschlangen an den Grenzen sind wieder zur Regel geworden. Der Schutz der Außengrenzen ist manchenorts leerer Buchstabe. Illegale Migranten werden nicht registriert und einem Verfahren unterzogen, sondern einfach durchgewunken. Ungarn übernimmt vertragswidrig grundsätzlich niemanden, obwohl Schengen-Mitglied. Andere Länder sagen zwar die Rücknahme „Illegaler“ zu, ziehen die Verfahren aber bürokratisch in die Länge. Kurzum, Schengen funktioniert nicht, und die Kommission – einst stolze Hüterin der Verträge – hat nur zugeschaut. So wurde das Binnenland Österreich, umgeben von sicheren Drittstaaten, zu einem der am stärksten von illegaler Immigration betroffenen EU-Staaten.
Rumänien und Bulgarien sind einerseits Opfer dieses Systems, andererseits auch Teil: es hapert beim Schutz der Außengrenze, der Registrierung „Illegaler“, der Einhaltung zugesagter Rücknahmen. All dies sind Rechtspflichten, die ein Schengenland zu erfüllen hätte. Dies von jemandem zu verlangen, der Mitglied werden will, ist daher nicht unbillig.
Österreichs Migrations- und Asylpolitik stand lange Zeit allein, jetzt hat Deutschland die Verbesserungsvorschläge nahezu zur Gänze übernommen. Die ganze EU sucht endlich neue Wege und Lösungen. Die österreichische Bevölkerung steht zu zwei Dritteln hinter dieser Politik. Wer bei der Lösung dieser von den meisten Ländern in Europa als drückende Ungerechtigkeit empfundenen Frage versagt, den bestraft die Geschichte.
Andreas Khol war Klubobmann der ÖVP und von 2002 bis 2006 Nationalratspräsident