Meinung/Gastkommentar

Im Wartezimmer zur echten Gesundheitsreform

Es wird, und das prophezeien die Demoskopen, möglicherweise bis zum Jahresende dauern, bis nach der Wahl vom 29. September eine neue Regierung angelobt werden kann. Dieser wird in jedem Fall eine neue Person an der Spitze des Gesundheitsministeriums angehören, weil der amtierende Minister, Johannes Rauch (Grüne), nicht mehr zur Verfügung steht.

Bei der Durchsicht der Forderungen der Parteien, die eine Bundesregierung bilden könnten, fallen unter anderem folgende bemerkenswerte Vorhaben auf: So soll eine Berufspflicht für ausgebildete Ärzte Versorgungslücken, vor allem im ländlichen Raum, aber auch in den Städten füllen. Und das propagiert eine Partei, die vorgibt, gegen Planwirtschaft und für das freie Unternehmertum zu kämpfen.

Ebenso wird aus einer anderen politischen Ecke erwogen, die Anzahl der Studienplätze zu verdoppeln. Wer hernach die Studierenden und in weiterer Folge die auszubildenden Kolleginnen und Kollegen in den Spitälern betreuen soll, ist nirgends zu erfahren. Und das angesichts der Tatsache, dass heuer einige Aspirantinnen und Aspiranten auf die Teilnahme am umstrittenen Aufnahmetest MedAT verzichteten, um sich zum Beispiel in die Hände einer Privatuniversität zu begeben. Wer dann noch meint, diesen Kolleg*innen etwas aufzwingen zu können, liegt wohl einem großen Irrtum auf.

Diskussionsstoff

Eine andere Partei erhebt die Forderung nach Rückerstattung angefallener Wahlarzt-Kosten, sofern keine angemessene Kassenleistung erbracht werden konnte. Dieser Punkt birgt einigen Diskussionsstoff, da für gewisse Fächer, wie etwa Gefäßchirurgie, in Wien keine Kassenverträge existieren. Und es gäbe noch etliche andere lebensfremde und kaum bis zum Ende gedachte Ideen, wie es eben zu einem Wahlkampf dazugehört.

Ein Vorschlag: warum trennt man in einer neuen Regierung nicht wieder die Ressorts wie in den vergangenen Legislaturperioden? Es bezweifelt doch niemand, dass das Thema Gesundheit ein riesiges ist, dass es einen Reformstau gibt und dass es großer Energien bedarf, allein schon die einzelnen Player an einen Tisch zu bringen. Ebenso hätte eine Ministerin oder ein Minister für Soziales jede Menge Aufgaben vor sich – Stichwort Mindestsicherung.

Die letzten fünf Jahre haben (auch wenn man die Pandemiebewältigung abzieht) gezeigt, dass ein Ministerium für Gesundheit und Soziales für eine Person kaum zu stemmen ist. Zwei Minister haben vorzeitig das Handtuch geworfen und der aktuelle ist merklich erleichtert, dass seine Amtszeit endet.

Und wir sitzen weiterhin im Wartezimmer und warten auf eine Reform, die den Namen auch verdient hat.

Peter Poslussny ist Facharzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Herzchirurgie und Gefäßchirurgie der Klinik Floridsdorf, Gastprofessor der MedUni Wien und gerichtlich beeideter Sachverständiger