EU-Wahl: Wen können wir wählen?
Wir nähern uns den Europawahlen. Sie sind wichtiger als jene vor fünf Jahren. Immer mehr wird in Europa entschieden, nicht mehr in den einzelnen Ländern. Die Kriege in der Ukraine und in Gaza sind in der Nähe der EU. Österreich ist neutral; aber nur im Rahmen eines Schutzschildes der NATO abgesichert. Unser Heeresbudget steigt, aber ohne alte Kasernen und Übungsplätze zu räumen, wird durch Rüstungsausgaben nur unser Budgetdefizit erhöht, nicht unsere Sicherheit. Und bei den Steuern und Abgaben sind wir unter den drei „Spitzenreitern“.
Blickt man in die Parteien, so sind nicht alle Programme wirklich zukunftsorientiert. Wohlstand und Arbeitsplätze sichern, die Umwelt schützen schreibt die Europäische Volkspartei. Klingt nach Sozialdemokraten von früher. Soziales, demokratisches und nachhaltiges Europa, sagen die Sozialdemokraten, sollte auch schon bisher geschehen sein.
Die Grünen haben ein klares Ziel, und es ist ein Green and Social Deal, den sie befürworten, es ist wichtig, diese Punkte gemeinem zu sehen. Ärmere Schichten und Länder haben weniger zum Klimaproblem beigetragen, leiden aber stärker; weil niedrige Einkommensbezieher weniger auf Urlaub fahren, und in schlechter isolierten Wohnungen, meist ohne Grünblick leben.
Die Liberalen (Neos) wollen die Vereinigten Staaten Europas mit einer Kommission, die wie eine Regierung agiert. Das sind zwei Reformansätze, aber die Umfragen sagen eher einen Rückgang ihrer Wähleranteile voraus.
Die Rechtsparteien sind gespalten in einen rechten und einen ganz rechten Teil, bei letztgenanntem ist die FPÖ dabei. Die Analyse des Wahlkampfverhaltens von deren Spitzenkandidat Harald Vilimsky zeigt Vorlieben für Russland, während Klimapolitik und erneuerbare Energie abgelehnt werden, mangelnde Rechtsstaatlichkeit in Ungarn müsse nicht sanktioniert werden. Er verlangt einen Kommissar für Remigration und Rückbau der EU.
Wo bleibt Österreich? Wir haben unsere Neutralität hart erarbeitet, haben viel zum Fall des Eisernen Vorhanges beigetragen, haben unter Kreisky früh und nicht immer von allen verstanden mit den Palästinensern gesprochen. Österreich hat von der Migration (ohne offizielle Einwanderungspolitik) stark profitiert, wir lassen uns von Migranten pflegen und bewirten. Ohne Migration würde unsere Bevölkerung überaltern, dank der Migrantinnen und Migranten wachsen Wien und Österreich. Wir sind eines der reichsten, sichersten und glücklichsten Länder der Welt. Jetzt sollten wir etwas zurückgeben. Mehr für den Frieden machen, beim Wiederaufbau in der Ukraine helfen. Bei den Europawahlen können wir Parteien wählen, die für Klimapolitik und sozialen Ausgleich kämpfen. Nicht Nationalismus und Egoismus für wichtig halten und die EU als Festung bezeichnen, die es zu stürmen und abzureißen gilt.
Karl Aiginger, Ex-WIFO-Chef, leitet die Europaplattform Wien–Brüssel.