Meinung/Gastkommentar

Warum die freiheitlichen Bäume nicht in den Himmel wachsen

Bis dato schien der Freiheitlichen Partei Österreichs in Bezug auf Wahlerfolge nichts im Weg zu stehen. Die Wahlen zum europäischen Parlament deuteten laut Demoskopen auf einen Erdrutschsieg hin.

Die Realität fiel dann durchaus bescheidener aus, als es sich viele in der FPÖ erhofft hätten. Der laut Trendprognosen am Wahlabend prognostizierte deutliche erste Platz mit 27 Prozent der Wählerstimmen wurde zu einem knappen Kopf-an-Kopf-Rennen mit der unterbewerteten ÖVP mit einem Spitzenkandidaten Reinhold Lopatka, der das Feld von hinten aufrollen konnte. Ein analoges Schicksal könnte der FPÖ nun bei der Nationalratswahl drohen.

Kampfparolen, sowie das Spielen mit Muskeln, die man physisch und metaphysisch oft nicht hat, sind für einen breiten Wahlerfolg mit dazugehörigem Systemwechsel zu wenig. Die FPÖ schafft es zwar in den unter Haider und Strache schon einmal erreichten Wählergruppen Resonanz zu erzeugen, darüber hinaus fehlt es ihr aber – mangels Personalauswahl und differenzierten Inhalten – an Strahlkraft hinein in die bürgerlich-intellektuell gehobene Mitte, die diesmal von Lopatka geschickt abgeholt wurde.

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Während sich sein Mitbewerber von der FPÖ mit dem NEOS-Spitzenkandidaten und jenem der SPÖ brachiale Wortgefechte lieferte, hielt sich der ÖVP-Frontmann manierlich zurück und kann trotz hoher Verluste als lachender Dritter gesehen werden. Die SPÖ wurde auf Platz drei verwiesen, während die ÖVP gefährlich nahe an die Freiheitlichen herankam.

Das Kerndefizit der Freiheitlichen ist, dass es diesen, obwohl sie auf die emotional aufgeladensten Themen wie die Migrationsproblematik, den Ukraine-Konflikt, sowie die bisher nur oberflächlich aufgearbeitete Corona-Pandemie setzen, an positivem Spirit, den einst der Kärntner Landeshauptmann zu versprühen in der Lage war, mangelt. Nörgeln und gehässige Kommentare sind nicht sonderlich förderlich für eine positive Beziehung zur Wählerschaft. Denn hat sich der Frust einmal entladen, stellt sich die Frage nach einer Zukunftsperspektive und diese strahlt aktuell weder die Partei noch ihr konfrontativer Spitzenkandidat Herbert Kickl aus.

Das Dilemma ist, dass die negativen Projektionen der FPÖ bewusst und unbewusst auf sie selbst zurück reflektieren und dies in einem Negativimage resultiert, für das nicht nur die politischen Gegner und das Establishment verantwortlich sind. Ohne eine positive politische Schwingung, wie sie zuletzt Sebastian Kurz generieren konnte, wird es schwer seine Zielgruppen zu erreichen, die jenseits von einer Kernklientel liegen, die die Blauen so oder so ansprechen. Die berühmte Mitte, die nun Kanzler Karl Nehammer adressiert, gilt es zu gewinnen, denn die Ränder links und rechts ebenjener sind schon abgesteckt.

Aus der Mitte entspringt nicht nur ein Fluss, sondern mit dieser wird die kommende Nationalratswahl gewonnen.

Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des von ihm gegründeten Humaninstituts Vienna.