EU-Entwaldungsverordnung: Elfenbeinturm trifft auf Realität
Hinter der Idee, alles Übel dieser Welt per Verpflichtungen der Wirtschaft zu beenden, stehen gute Absichten. Aber auch bei hehren Zielen sollten die Mittel, um diese Ziele zu erreichen, sorgfältig gewählt und deren Konsequenzen abgewogen werden. Schöne Überschriften und idealistische Ziele alleine werden die Welt nicht retten.
In den vergangenen Monaten sorgte das EU-Lieferkettengesetz für intensive Diskussionen. Einen Blick in die Zukunft mit Lieferkettengesetz erlaubt die momentane Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR). Unternehmen in Europa müssen sicherstellen und nachweisen, dass ihre Rohstoffe und (Vor)Produkte nichts mit Entwaldung oder massiver Waldschädigung zu tun haben. Betroffen sind unter anderem Kaffee, Kakao, Soja und Holz. Die EUDR gilt nicht nur für den Import in den Binnenmarkt, sondern auch für Herstellung und Handel innerhalb der EU.
Die Brüsseler Regulierungstheorie trifft nun die realen Abläufe in der Forst- und Holzwirtschaft. Die überkomplexe Verordnung mit unklaren Formulierungen bringt große Rechtsunsicherheit. Von der Holzernte im Wald bis zum Holzprodukt müssten Tausende Referenznummern zur Herkunft des Holzes und der Weiterverarbeitungsstufen vergeben und weitergeleitet werden. Inwiefern hilft es gegen die Entwaldung, wenn künftig für Schnittholz eines Sägewerks aus Kärnten, gefertigt aus dem Holz aus Kärntner Wäldern und geliefert an Kärntner Zimmereibetriebe Referenznummern und Sorgfaltserklärung generiert werden und für fünf Jahre aufzubewahren sind? Selbstverständlich begrüßen wir das Ziel, den Raubbau an den Wäldern zu beenden. Die Entwaldung findet jedoch auf anderen Kontinenten statt. Die Waldfläche Europas hat von 1990 bis 2020 etwa um die zweifache Fläche Österreichs (16,8 Mio. Hektar) zugenommen.
Es gäbe wirksamere Alternativen im Kampf gegen die weltweite Entwaldung. Die EU verfügt über die exklusive Zuständigkeit für internationale Handelsabkommen und könnte auf dieser Ebene Vereinbarungen mit Drittstaaten treffen, um Menschenrechte und Umweltstandards zu fördern. Diese Kompetenz sollte die EU nutzen, anstatt politische Ziele auf die Unternehmen abzuwälzen. Unternehmen können nicht die Arbeit von Politikern und Beamten übernehmen.
Die Entwaldungsverordnung führt nicht zu einer Transformation unserer Wirtschaft, sondern schwächt aufgrund ihres überbordenden Bürokratismus die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen. Sie ist ein weiteres Beispiel für eine sich in Details verlierende und wirklichkeitsfremde Verwaltung, die dem Gedanken eines gemeinsamen Europas schadet. Die EUDR ist nur der Prolog für das neue Lieferkettengesetz. Der große Frust folgt noch.
Herbert Jöbstl ist Obmann des Fachverbands der Holzindustrie Österreichs
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