Dreier-Koalitionsverhandlungen: Besser ein Ende mit Schrecken
Ein und dasselbe politische Programm, ein und dieselbe Regierungskonstellation, können in der Bevölkerung positiv oder negativ aufgenommen werden. Ein guter Verkauf ist alles. Profis wissen das.
Die Chance, die schwarz, rot, pinke Regierungskoalition gut zu vermarkten ist aber bereits vertan. Zuerst kein Regierungsauftrag an die FPÖ, dann ewiges Sondieren, nachdem die Verhandler in den Herbstferien zuerst auf Urlaub gegangen waren, und jetzt gleich mehrfache Missstimmung unter den Verhandlungspartnern. Stimmungsmäßig hoch gewinnen kann man diese Partie nicht mehr.
Eigentlich recht gute Slogans sind inzwischen in die Hose gegangen, nachdem ihnen kein Inhalt gefolgt ist. Die Versicherung von allen Seiten, es gäbe kein weiter wie bisher, hat sich schon ins Gegenteil verkehrt.
Laut einer OGM-Umfrage im KURIER geht eine Mehrheit der Bevölkerung davon aus, dass ÖVP, SPÖ und Neos ihr diesbezügliches Versprechen brechen werden. Das „Wir müssen nicht miteinander, aber wir möchten“ ist inzwischen auch wenig glaubwürdig. Es ist zu offensichtlich, dass es bei allen drei Parteivorsitzenden vielmehr um das persönliche politische Überleben geht, wenn diese Koalition nicht zustande kommt. Sie müssen miteinander – auch wenn sie nicht möchten.
Wumms gesucht
Dann bleibt da noch die Frage der Inhalte. Bei diesen muss jetzt, angesichts der lähmenden Stimmung, schon – wie die Deutschen sagen – ein „Wumms“, noch besser ein „Doppel-Wumms“, gelingen. Aber woher nehmen? Insbesondere bei der Frage, wie die ziemlich dramatische Budgetsituation gemeistert werden kann, bahnt sich ein fauler Kompromiss an. Ein bisschen einsparen, ein bisschen Steuern erhöhen. Was jedoch mit den thematischen Schwergewichten wie den Reformen der Bildungs-, Gesundheits-, Föderalismus-, Pensionssysteme und dergleichen mehr? Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass alle diese Themen den Sozialpartnern, Expertenrunden oder gar einem neuen „Österreich-Konvent“ zugewiesen werden sollen. Dass all diese dicken Bretter just dort zufriedenstellend durchbohrt werden könnten, glaubt indes wohl niemand.
Angesichts der schlechten Stimmung wird es für alle drei Parteichefs schwer, auch nur geringe Zugeständnisse in den eigenen Parteien zu verkaufen. Schon regt sich deutlich hörbarer Widerstand bei den Wirtschaftsbündlern in der ÖVP, den Fundis in der SPÖ und auch bei den Neos haben sich schon Heckenschützen zu Wort gemeldet.
Der Wunsch, Herbert Kickl als Bundeskanzler zu verhindern, wird sicherlich von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. Das allein und das persönliche Interesse von Karl Nehammer, Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger, die nächste Regierung zu bilden, werden jedoch nicht reichen.
Bliebe als Plan B eine personelle Neuaufstellung, zumindest von ÖVP und SPÖ und der Möglichkeit einer Neuwahl unter komplett anderen Voraussetzungen. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Martin Engelberg ist Psychoanalytiker, Unternehmensberater und war von 2017 bis 2024 ÖVP-Abgeordneter zum Nationalrat.