Trumps Griff nach der US-amerikanischen Seele
Donald Trump gelingt es wie keinem Zweiten, die US-amerikanische Seele im tiefenpsychologischen Sinne in Schwingung zu versetzen.
Während seine Kontrahentin das Gute mimte, konnte der „Bad Guy“ in seiner Paraderolle als Agent Provocateur mehr als nur brillieren. Er ist gewissermaßen ein ehrlicher Spiegel der Gesellschaft in den USA und der lokalen Volksseele. Trotz seines abgehoben und präpotent anmutenden Naturells kam dieses bei verschiedenen Wählergruppen quer über alle Schichten besser an als der aufgesetzt wirkende Habitus des Guten von Kamala Harris. Ein solcher reicht auch in Europa und bei den sich hier links gebärdenden Politikertypologien nicht mehr aus, um bei den Wählern Resonanz zu erzeugen.
Trump hat den Vereinigten Staaten von Amerika sprichwörtlich an die Seele gefasst (in Anlehnung an ein vergangenes wenig pietätvolles Zitat des alten und neuen US-Präsidenten). Seine direkte Art macht ihn authentisch und kommt bei den Menschen gut an. Ohne gar zu schwülstig zu werden, kann man behaupten, dass er die Sprache des Herzens spricht. Denn Charisma ist die Fähigkeit, selbst stark empfundene Gefühle auch bei anderen zu erzeugen und dies kann der Immobilienmogul wie kaum ein anderer.
Reine Überschriften und Plattitüden sind selbst und gerade bei den anzusprechenden Zielgruppen aus den sogenannten Arbeiterschichten zu wenig. Hier hätte es mehr an Kreativität und Emotion bedürft. Dies musste schon Hillary Clinton bei ihrem Duell gegen „The Donald“ feststellen, den sie einst milde belächelte. Jetzt lachen seine Kontrahenten auf der ideologisch anderen Seite der Macht nicht mehr. Wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am besten.
Die Zeit der höflichen Oberflächlichkeiten ist vorbei. Die Halbwertszeit in der Politik wird immer kürzer und wenn der nun bald 47. Präsident der USA nicht liefert, werden die Republikaner beim nächsten Mal selbst „fired“.
Der Wahlsieg von Trump wurde außerdem dadurch maskiert und war weniger für die etablierten Medien vorhersehbar, weil diese ihn stark dämonisiert hatten, während Harris überidealisiert dargestellt und nur mit dezenter Kritik versehen wurde. Mit einer derartigen Realitätsverzerrung war weder der Spitzenkandidatin der Demokraten geholfen, noch kann man damit eine politische Bewegung weiterentwickeln. Ein Phänomen, das mit der ebenso von Elon Musk adressierten „Woke-Bewegung“ längst bis auf den alten Kontinent Europa geschwappt ist. Politiker aller Couleurs sollten behirnen, dass es einen elementaren Unterschied zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung gibt. Den eindeutigen Wahlsieg der Republikaner müssen sogar die medial gerne vorgeschobenen Faktenchecker als Indikator für die erwähnte These in Erwägung ziehen.
Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna.