Meinung/Gastkommentar

Der Wolf kommt in den Genuss höchsten Schutzes

Die Regierung hat eine Bataille verloren – Ruhe ist des Bauern erste Pflicht!“ Dieser Satz, in leichter Abwandlung der Erklärung des Preußenkönigs 1806 nach den Niederlagen von Jena und Auerstedt, mag einem in den Sinn kommen, wenn man sich die ersten Reaktionen österreichischer Politiker nach dem „Wolfs-Urteil“ des EuGH vom 11. Juli 2024 ansieht.

Tatsächlich hat dieses Urteil in einer Auslegungsfrage zu einem beeinspruchten Tiroler Abschussbescheid eine enorme Tragweite, weit über Österreich hinausreichend, aber eben ganz im Besonderen hierzulande. Immer deutlicher wird die Philosophie, die der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie 1992 (FFH-RL) zugrunde liegt. Die Aufnahme des Wolfs in das strenge Schutzsystem gemäß Anhang IV der FFH-RL hat Folgen, ebenso der Umstand, dass Österreich zum Zeitpunkt des Beitritts diesbezüglich keinen Vorbehalt für sein Territorium vorgebracht hat – so wie dies viele andere Mitgliedstaaten getan haben.

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Der EuGH hat nun klar zu verstehen gegeben, dass dieses Gericht nicht dafür zuständig ist, Versäumnisse im Beitrittsprozess im Sinne eines alles überragenden Gleichheitsgrundsatzes zu korrigieren. Auf dem politischen Wege könnten zwar noch Anpassungen vorgenommen werden, aber wenn Kommission und Rat diesbezüglich untätig geblieben sind, dann ist ein Vorabentscheidungsverfahren der falsche Weg, um hier Abhilfe zu suchen.

Einige der Experten, die in der Vergangenheit diesbezüglich noch optimistische Töne angeschlagen haben, sind nach dem Urteil rasch vom Saulus zum Paulus geworden. Dass dieser Weg nicht gangbar ist, hätte aber schon vorher klar sein müssen. Klargestellt wurde auch, dass der „günstige Erhaltungszustand“, der eine wichtige Vorbedingung für Entnahmen darstellt, in Zukunft national oder sogar lokal zu definieren ist.

Der EuGH verschließt sich nicht völlig dem Argument, dass auch den Interessen der lokalen Bevölkerung Rechnung zu tragen sei, doch die Verhältnismäßigkeitsüberlegungen, die der EuGH in diesem Zusammenhang fordert, stets vor dem Hintergrund, dass die FHH-RL die Herstellung eines „günstigen Erhaltungszustandes“ des Wolfs bedingt, wird der Bevölkerung (und insbesondere den Bauern) erhebliche Einschränkungen und gerade auch wirtschaftliche Kosten abverlangen.

Herdenschutz wird in Zukunft im Alpenraum eine völlig neue Bedeutung erlangen und die diesbezüglichen Kosten werden von der Landwirtschaft und der Allgemeinheit zu tragen sein. Die Art selbst kommt in den Genuss höchsten Schutzes. Nur einzelne Exemplare können bei Nachweis besonderer Gefährlichkeit (der nicht einfach zu führen ist) entnommen werden. Die Grundphilosophie, auf der diese Haltung beruht, besteht in der Vorstellung eines harmonischen Zusammenlebens von Mensch und Tier (und auch Raubtier!), abgeleitet von FFH-RL und Berner Konvention 1979. Die Politik sollte nicht beschwichtigen, sondern der Bevölkerung reinen Wein einschenken.

Peter Hilpold lehrt Völkerrecht, Europarecht und Steuerrecht an der Universität Innsbruck.