Erst denken, dann posten
Postings von Spitzenpolitikern sollen künftig den Status von Dokumenten bekommen und archiviert werden. Auf das Staatsarchiv kommt damit nicht nur organisatorisch einiges zu.
Wer durch die sozialen Netzwerke scrollt, muss Chef-Archivar Wolfgang Maderthaner recht geben, wenn er sagt: „Kommunikation ist so substanzlos wie nie zuvor.“
Was früher sorgsam aufgesetzte Schriftstücke waren, sind heute mit einem Finger getippselte Tweets, Insta-Storys und WhatsApp-Nachrichten: schrill, schnell und vor allem viel.
Die Postings von Politikern mögen nicht immer tiefgründig sein, formen aber Meinungen und Weltbilder, bilden Zeitgeschehen und -geist ab. Die Debatten um #MeToo und Klarnamen im Netz werden der Tatsache gerecht, dass Worte auch in der digitalen Sphäre Gewicht haben.
Und jene von Amtsträgern für die nächsten 100, nein, 1000 Jahre zu sammeln und zugänglich zu machen, ist ein richtiger Schritt und im Jahr 2019 eigentlich überfällig. Dass sich die Art, wie wir kommunizieren und Informationen konsumieren, grundlegend verändert hat, wissen wir nicht erst seit gestern.
Der Spitzenpolitik sollte zudem klar sein, welches Bild sie der Nachwelt von der politischen Verfasstheit der Republik hinterlässt. Es ist nicht immer ein hübsches – da mag es noch so viele Likes und Herzerl geregnet haben.
Wenn das digitale Archiv dazu führt, dass Politiker ein oder zwei Sekunden länger überlegen, bevor sie auf „senden“ drücken, ist schon viel erreicht – nicht nur für die Nachwelt.