Ein „Sehr gut“ nur für Mütter
Von Bernhard Gaul
Heute endet zunächst in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland ein bisher einzigartiges Schuljahr, das bitte, bitte auch nie wieder so ablaufen soll. Seit der Schulreform von Maria Theresia im Jahr 1774, also seit 246 Jahren, ist es (in Friedenszeiten) noch nie vorgekommen, dass während des Schuljahrs alle 5.748 Schulen mehr oder minder geschlossen wurden. Über Nacht mussten die 126.000 Pädagoginnen und Pädagogen aus der Not heraus ein Projekt starten, das die Schulpolitik vor allem aus Kostengründen sträflicherweise nie angegangen ist: die Digitalisierung des Schulbetriebs. Auch Bildungsminister Heinz Faßmann bedauerte, dass er unter Türkis-Blau das Projekt nicht vorangetrieben hatte.
So blieb der Politik nichts anderes übrig, als die Zügel im Bildungswesen so locker wie möglich zu halten und zu hoffen, dass die Lehrerschaft aus den (unzähligen) Vorgaben vom Minoritenplatz das Bestmögliche für ihre Schüler machen würde.
So war es dann auch für die 1,1 Millionen Schüler: Wer Glück hatte, wurde in den neuneinhalb Wochen des Daheimbleibens in einer ganz neuen Qualität unterrichtet – mit Videochats, mit allen Vorteilen des digitalen Lernens (Computer werden beim Wiederholen und Abprüfen nie laut oder ungeduldig) und mit allen tollen Features, Apps und Webseiten, die das Internet zu bieten hat. Wer Pech hatte, bekam seine Lehrer oder neuen Lernstoff kaum zu sehen. Und dann gab es auch einige Zehntausend Kinder, die beim „distance learning“ mangels digitaler Endgeräte und ohne Internetanschluss daheim schlicht verloren gingen und kaum bis nicht erreichbar waren.
Da diese Kinder nicht selten aus bildungsfernen Familien kommen, ist dieser Befund besonders bitter. Denn wenn die Eltern nicht für die bestmögliche Bildung ihrer Kinder sorgen können (oder wollen), sollte das Bildungssystem eigentlich einspringen, um der kommenden Generation annähernd gleiche Startchancen geben zu können. Die Kinder haben sich ihre Eltern ja nicht ausgesucht.
Dass dieses Schuljahr nicht in einer Katastrophe endet, ist nämlich vor allem den Eltern zu verdanken und noch mehr den Müttern, die als Supermanagerinnen, Dompteurinnen und Aushilfspädagoginnen einspringen mussten. Dafür können jetzt viele (wieder) ein Skalarprodukt berechnen, über die Geografie der Mur-Mürz-Furche referieren, eine Powerpoint-Präsentation über Richard Wagner erstellen oder den Unterschied zwischen Gerundivum und Gerundium erkennen.
Nun müssen die Eltern wie gewohnt schauen, wie die Kinder über den neunwöchigen Sommer betreut und bespaßt werden. Im Herbst soll ja alles wieder „normal“ sein. Falls dem nicht so ist? Die Mama wird’s schon richten.