Meinung

Ein Europa voll mit Grenzen und Gräben

Eine Wahl hatten die Griechen bei dieser Wahl nicht

Mag. Konrad Kramar
über die Bedeutung der Griechenland-Wahl

Eine Wahl hatten die Griechen bei dieser Wahl nicht. Europa hat dem bankrotten Land eine noch höhere Dosis Sparprogramm verordnet, die den Patienten voraussichtlich am Leben und im wirtschaftlichen Koma belassen wird. Dieses Programm wird die neue Regierung in Athen zu erfüllen haben, egal wie Koalitionen jetzt zusammengewürfelt werden.

Das sozialistische Sommermärchen, das die Syriza ihren Landsleuten aufgetischt hat, ist vorbei. Das kapitalistische Sommermärchen, das Europa den Griechen seit ihrem U-Beitritt aufgetischt hat, enthielt allerdings kaum mehr Wahrheiten. Der allgemeine Wohlstand für das seit jeher arme und rückschrittliche Land war auf Krediten und Illusionen aufgebaut und hat sich inzwischen für die meisten verflüchtigt.

Mögen die wirtschaftlichen Kennzahlen für Länder wie Spanien oder sogar Portugal besser aussehen als jene für Griechenland, an der Lebensrealität für Millionen von Menschen im Süden Europas ändert das wenig. Ihr Lebensstandard wird noch über Jahrzehnte weit von dem in Mittel- und Nordeuropa entfernt sein. Hunderttausende Spanier, Portugiesen, Griechen haben darum ihre Heimat hinter sich gelassen und suchen ihre Chancen anderswo, so wie es einst ihre Großeltern getan haben. Damals waren es die Landarbeiter, heute sind es die jungen Ingenieure und EDV-Experten, die gehen und damit ihre Heimat immer weiter zurückwerfen. Noch dramatischer ist dieses Nord-Süd-Gefälle im Südosten der EU, dort, wo jetzt plötzlich die Zäune wie wild an den Grenzen wachsen. Denn die werden noch stehen, wenn die Flüchtlingswelle lang verebbt ist, und die Armen von den Reichen trennen – hier in einem angeblich vereinten Europa voll von Grenzen und Gräben.