Meinung

Ein Beben weit über Bayern hinaus

Eine Brezn, die man reißt, kann ein ordentliches Beben auslösen –  politisch. Die Brezn, die die CSU an diesem Herbstsonntag in Bayern gerissen hat, kam zwar nicht überraschend, das Beben ist aber  gewaltig. Die  blau-weiße Landkarte  muss  neu gezeichnet werden. Sie wird viel bunter: Sehr  viel Grün,  nicht so viel Blau (AfD) und Blau-Gelb (Freie Wähler), kaum Rot (SPD) – das wird  schwer  zu regieren sein. Auch wenn der Ministerpräsident  vor der Wahl  noch in Richtung Österreich spöttelte  („Wer hat bei Euch  35 Prozent?“): Ans   polternde „Mia san mia“ glauben selbst mit 37 Prozent plus nicht einmal die CSU-Totengräber  Söder und Seehofer..

Jetzt wird wieder viel spekuliert werden, was das für Angela Merkel heißt. Ist ein demolierter Unions-Partner gefährlicher oder weniger gefährlich? Wieso erkennen Politiker nie, wann es Zeit ist zu gehen? Aber zur Zeit könnte in München auch bloß eine Weißwurst platzen, schon würden atemlose Medien eine Beschleunigung der Merkel-Dämmerung konstatieren.

Nein, das Platzen der CSU-Allmacht ist zunächst eine rein bayerische Angelegenheit. Und dann eine, die weit über Deutschland und Frau Merkel hinaus geht.

Bayerisch ist, dass da zwei Archetypen der Selbstherrlichkeit an sich, an ihrer Unverträglichkeit und am Unvermögen, einen klaren Kurs zu fahren, gescheitert sind. Wobei die Schadenfreude, dass da die Stammtischpolitik eine Watschen bekommen hat, die AfD nicht so abgeräumt hat, wie befürchtet, und die Grünen jetzt alles niederreißen, gedämpft werden muss: CSU, AfD, Freie Wähler, das ergibt vielleicht keine Koalition, aber allerweil noch genug Stammtisch in Bayern.

Botschaft der Wähler: Trollt euch

Aber die eine Volkspartei, die CSU, ist abgestraft worden. Die andere, die SPD, ist überhaupt in einem tiefen Loch. Beides geht über Bayern weit hinaus: Die Sozialdemokratie ist in Europa – seht nach Deutschland, seht nach Österreich – auf dem Boden. Volksparteien wie die CSU wiederum haben keinen Boden mehr unter den Füßen – gerade noch in Südtirol kämpft eine SVP gegen den Sturz aus dem besseren Gestern.

Was noch über Bayern hinausgeht: Die Regierenden verlieren, auch wenn es den Regierten gut geht. Bayern hat die besten Wirtschaftsdaten, hat Wachstum, praktisch Vollbeschäftigung, blühende Unternehmen – und trotzdem sagt der Wähler denen, die die Weichen dafür gestellt haben: trollt euch.

Da sind wir dann doch wieder bei Angela Merkel (und anderswo in Europa): Das Zetern über die zu lange amtierende Kanzlerin, die medial beschworene Endzeitstimmung erfolgt zu einer Zeit, da es Deutschland noch nie besser ging – nicht nur statistisch.

Aber das ist nicht die Antwort, die die Menschen auf ihre Fragen wollen. Die heißen: Was, wenn mein Wohlstand geht? Wie, wenn mich die Digitalisierung überrollt? Wer schützt mein Zuhause? Wohin mit all den Zuwanderern? Darauf keine Antworten zu haben, wo andere mit so scheinbar simplen aufwarten, heißt, vom Wähler abgestraft zu werden. Nicht nur in Bayern.andreas.schwarz

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