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Kupferdachl – Rostiger – Feuerpatschen

Der Graus meiner Kindheit mutiert mehr und mehr in ein ebenso grausames Grau.

Mag. Uwe Mauch
über seine roten Haare

Blog Nr. 1147: Am kommenden Dienstag wird in der Galerie am Park in Wien-Mariahilf die Ausstellung des Wiener Fotografen Helmut Mitter eröffnet. Mitter hat in den vergangenen Monaten unglaublich viele Rothaarige fotografiert, darunter auch zig KURIER-Leser_innen. Er hat uns für eine Sonntagsbeilage im August seine Fotos gratis zur Verfügung gestellt. Als symbolisches Dankeschön werde ich bei der Eröffnung meine Glosse vorlesen, die ich im Sommer über mein Rothaarigen-Dasein veröffentlicht habe. Hier der Wortlaut:

Es war einmal eine Zeit, da provozierten meine roten Haare wie das rote Tuch den Stier: zunächst die Kinder im Hof eines Wiener Gemeindebaus, für die ich infolge meiner natürlichen Kopfbedeckung und der Sommersprossen immer ein Exote bleiben musste. Später auch die Gegenspieler und Zuschauer auf den Fußballplätzen der Vorstadt, die in mir einen willkommenen Blitzableiter sahen. Mehr als ein Mal musste ich folgende ungenierte Aufforderung über mich ergehen lassen: „Rostiger, die Feuerwehr kummd, schiab dir d’ Hoa in Oasch!“ Weniger rustikal rief man mich auch „Kupferdachl“, „Rotfuchs“ oder „ Feuerpatschen“.

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Auch mein Deutsch-Professor im Gymnasium fand die Zur-Schaustellung und Vor-Führung eines natürlichen Außenseiterschülers wahnsinnig komisch. Irgendwann mussten wir in seinem Unterricht die Posse „Der Talisman“ von Johann Nestroy lesen, mit verteilten Rollen. Und da dachte er mir – hahaha, das ist aber sehr komisch – den Part des Titus Feuerfuchs zu. In der Tat. Die roten Haare fuchsten mich mehr, als andere sich vorstellen konnten oder wollten. Meine ganze Kindheit haderte ich mit meinen Genen, die meine Mutter aus Norddeutschland nach Österreich gebracht hatte. So gerne hätte ich schwarze Locken gehabt wie das Idol meiner Kindheit, der Vorarlberger Fußballgott mit der Nummer 5, Bruno Pezzey. Oder von mir aus auch blonde Strähnen wie mein jüngerer Bruder. Oder der Ski fahrende Schlagersänger Hansi Hinterseer.

Da half es lange Zeit auch nichts, dass mich ältere Damen mit gefärbten Haaren, die damals gewiss viel jünger waren als ich heute, aufmuntern wollten. Stets bombastisch fingen sie an, mich um mein Naturrot zu beneiden. Für mich fühlten sich ihre Worthülsen wie Rassismus der anderen Art an. Ich war wie ein Albino der Spezies Homo sapiens. Nicht mit weißem Fell, aber mit rostigem Kopfschmuck. Eine erste Versöhnung mit meinem Rotschopf sollte mir ausgerechnet die Latein-Matura ermöglichen, vor der ich mich lange gefürchtet hatte, und die am Ende doch ein versöhnliches Ende fand. Es wird gemunkelt, dass die Frau Oberstudienrat auch meine haartechnische Performance in die Note miteinbezogen hat.

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Es folgten Jahrzehnte der Gleichgültigkeit ob meines Ginger-Daseins, und irgendwann begann die Ära der Political Correctness. Von der auch wir Rothaarigen profitieren durften. Die Begriffe „Rostiger“, „Kupferdachl“ und den „Feuerpatschen“ kennen und verwenden nur mehr die älteren Semester. Kinder mit roten Haaren werden heute mehrheitlich als das begriffen, was sie tatsächlich sind: natürlich außergewöhnlich. Seit einigen Jahren fuchst mich etwas anderes: der Graus meiner Kindheit mutiert mehr und mehr in ein ebenso grausames Grau. Im Ernst: ich habe mich schon mehrfach dabei ertappt, den roten Haaren nachzuweinen.

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