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Notizen aus Maastricht: Nachlese zur ersten TV-Debatte der EU-Spitzenkandidaten

Dreht Juncker auf - oder lässt er Schulz poltern?

Philipp Hacker-Walton
über die TV-Duelle vor der EU-Wahl

Ist die Art, wie man zu einer politischen Debatte anreist, schon das erste Statement? Bei der ersten TV-Konfrontation der EU-Spitzenkandidaten am Montag in Maastricht (Nachbericht hier, Live-Ticker zum Nachlesen hier) sah es ganz danach aus.

Jean-Claude Juncker, Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, fuhr mit seinem Wahlkampf-Gefährt, dem "Juncker-Bus" vor; Martin Schulz, Vertreter der Sozialdemokraten, kam mit Chauffeur im BMW; die Grüne Ska Keller erschien im Elektro-Auto - und der Liberale Guy Verhofstadt kam zu Fuß.

Ein paar Beobachtungen und Gedanken zur Debatte selbst, die die erste dieser Art überhaupt war:

  • Die Sprache I Diskussionssprache war Englisch, keiner aus dem Quartett diskutierte also in seiner Muttersprache. Keller und Verhofstadt ist das ganz offensichtlich sehr leicht gefallen, auch Schulz, der ohnehin auch auf Deutsch und Französisch öfter kleine Nachdenkpausen einlegt, hatte keine sichtlichen Schwierigkeiten. Juncker schien sich einige Male doch zu plagen - wer ihn schon einmal auf Französisch oder Deutsch gehört hat, wird den Unterschied gemerkt haben.
  • Die Sprache II Weil Englisch Diskussionssprache war, standen nur vier statt fünf Kandidaten auf der Bühne: Alexis Tsipras, Spitzenkandidat der Europäischen Linke, wollte nicht auf Englisch diskutieren, hieß es beim veranstaltenden Sender Euronews. Offen ist, ob Tsipras an der zweiten Elefantenrunde teilnehmen wird bzw. ob er dort die Möglichkeit erhält, auf Griechisch zu sprechen.
  • Die Themen Zu viele in zu kurzer Zeit - und daher fast alle nur oberflächlich behandelt. Die Macher und Moderatoren der nächsten Debatten sehen das hoffentlich auch so und werden Schwerpunkte setzen, für die es dann mehr Zeit gibt.
  • Die Nachvollziehbarkeit Mangelhaft. Teilweise hat sich die Debatte verstrickt in Kompetenz-Details zwischen den EU-Institutionen, die kompliziert genug sind, wenn man sich professionell beschäftigt und dem durchschnittlich interessierten Seher eigentlich nicht zumutbar. Hier haben Erklärungen durch die Moderatoren oder durch kurze Einspielfilme gefehlt.
  • Das Temperament Schulz und Verhofstadt wirkten deutlich engagierter, meldeten sich auch ungefragt zu Wort und sorgten zeitweise für eine echte Debatte, anstatt nur der Reihe nach die Fragen der Moderatoren zu beantworten. Juncker war in seiner Roller als "elder statesman" fast zu zurückhaltend, Keller hätte bei manchen Themen ruhig mehr auf den Tisch hauen können. Spannend wird, wie das Schulz und Juncker bei ihren Zweier-Duellen halten werden: Dreht Juncker mehr auf, um nicht zu defensiv zu wirken? Oder lockt er Schulz in die Rolle des Polterers?

Kommenden Donnerstag gibt es die erste deutschsprachige Debatte zwischen Juncker und Schulz, am 15. Mai dann die zweite Elefantenrunde. Bis dahin gibt es die Premieren-Debatte zum Nach- bzw. Wiederschauen im Internet:

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