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Kandidatenkür: Offener Kampf oder traditioneller Krampf

Für SPÖVP ist das traditionell ein Krampf.

Philipp Hacker-Walton
über die Auswahl der EU-Spitzenkandidaten

Mit der offiziellen Nominierung Eugen Freunds am Donnerstag haben jetzt beide Regierungsparteien ihren Spitzenkandidaten für die Europawahl gefunden - und man ist geneigt, zu sagen: Zum Glück. Denn SPÖ und ÖVP haben wieder einmal gezeigt, welch ein Krampf dieser Auswahlprozess sein kann und im Fall von rot und schwarz bei EU-Wahlen meistens auch ist.

Die (Spitze der) Volkspartei hat monatelang herumgedruckst, ob sie jetzt Othmar Karas, der als anerkannter EU-Abgeordneter und Vizepräsident des Parlaments die einzig logische Wahl war, zur Nummer eins macht oder nicht. Seine Nominierung blieb letztlich nicht ohne den Beigeschmack, dass die ÖVP 1) irgendwie doch gerne jemand anderen gehabt hätte, aber 2) niemanden fand und 3) die wohl berechtigte Sorge hatte, Karas würde dann ohne die ÖVP ins Rennen gehen und ihr ziemlich viele Stimmen kosten.

Überraschungskandidat

Ähnlich die Lage bei den Sozialdemokraten, wo die Wahl der Nummer eins lange Zeit völlig offen schien und dann nach einem Duell Steiermark/Wien aussah zwischen Jörg Leichtfried, dem SPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament, und EU-Mandatarin Evelyn Regner. Dass Ex-ZiB-Mann Freund drei Tage vor der entscheidenden Sitzung der Parteigremien als Überraschungs-Spitzenkandidat lanciert wurde und einige SPÖ-EU-Abgeordnete offenbar gar nicht oder sehr kurzfristig davon informiert wurden, ist auch nicht die Optimal-Variante.

Beides erinnert an 2009: Damals druckste die SPÖ lange herum, bevor sie den erfahrenen Hannes Swoboda zum Spitzenkandidaten machte - und die ÖVP setzte Othmar Karas recht überraschend Ex-Innenminister Ernst Strasser als Nummer eins vor die Nase.

Grüne: Delegierte entscheiden

Wie man es auch machen kann, zeigen Grüne und NEOS (zur Vollständigkeit: Die FPÖ hat ihre Doppelspitze Andreas Mölzer/Harald Vilimsky formal wie SPÖ/ÖVP durch die Parteigremien beschlossen, nur ohne die große Begleitmusik).

Die Grünen haben ihre Kandidatenliste im Dezember auf einem Bundeskongress beschlossen. Die Vorgehensweise ist simpel und basisdemokratisch: Jeder kann sich für einen oder mehrere Listenplätze bewerben, die rund 280 Delegierten stimmen dann über die Kandidaten ab. Wer sich zB für Platz eins bewirbt und unterliegt, kann sich für Platz 2 bewerben, usw. Platz für Platz, bis die Liste voll ist.

Das ist insofern sympathisch, als die Delegierten entscheiden und nicht die Parteispitze, kann aber auch dazu führen, dass offene Kämpfe um Listenplätze ausgetragen werden - so wie zB 2009 zwischen Johannes Voggenhuber und Ulrike Lunacek um Platz eins.

NEOS: Offene Vorwahl

Die NEOS haben sich für einen noch offeneren Ansatz entschieden: Eine dreistufige Vorwahl. Zunächst haben die Parteimitglieder entschieden, wer von den Interessenten zur Vorwahl zugelassen wird. Derzeit läuft der erste Teil der Vorwahl über das Internet: Jeder Wahlberechtigte, ob NEOS-Mitglied oder nicht, kann dabei fünf Nominierten ein bis fünf Vertrauenspunkte geben.

Später vergibt dann auch der Parteivorstand an fünf Nominierte ein bis fünf Punkte, dann machen die Mitglieder (online) noch einmal das gleiche - und die Liste steht. Ob das technisch gut geht & welche Kandidatenreihung dabei herauskommt, ist sicher nicht nur für NEOS-Unterstützer interessant.

Solo für Martin?

Das umgekehrte Problem bei der Listenerstellung dürfte Hans-Peter Martin haben: Bei ihm geht es, wie er dem KURIER sagt, "ganz klar Richtung Kandidatur" - die Frage ist nur: Wer wird neben ihm auf der Liste stehen? Wird neben ihm überhaupt jemand auf der Liste stehen?

Martin ist bekanntlich 1999 als SPÖ-Spitzenkandidat ins EU-Parlament gekommen, hat sich dann mit den Roten zerkracht und ist dann zwei Mal mit eigener Liste angetreten. Und beide Male hat sich seine Liste dann früher oder später zersplittert.

Theoretisch könnte Martin, der 2009 drei Mandate erreichte, auch alleine antreten: "Es gibt keine Mindestlänge für die Kandidatenliste, es kann auch einer alleine kandidieren", sagt Robert Stein, Wahlexperte des Innenministeriums, zum KURIER.

Und falls eine Liste mehr Mandate schafft als sie Kandidaten hat? Dann bleiben diese Plätze im EU-Parlament einfach leer.

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