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EU-Wahl: Schulz, Juncker und die Frage der Spielregeln

Wie es genau gehen soll, weiß noch niemand.

Philipp Hacker-Walton
über die Bestellung des Kommissionspräsidenten

Nachdem Martin Schulz am Freitag von der Europäischen Volkspartei (endlich) einen Gegenkandidaten bekommt (als Favorit ging Jean-Claude Juncker ins Rennen), ist der EU-Wahlkampf jetzt auch auf europäischer Ebene offiziell eröffnet.

In der Öffentlichkeit wird sich in den Wochen bis zur Wahl alles auf eine Frage zuspitzen: Werden Sozial- oder Christdemokraten am 25. Mai mehr Mandate haben, sprich: Welcher der beiden Spitzenkandidaten wird Nachfolger von Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso?

Hinter verschlossenen Türen wird in Brüssel und einigen EU-Hauptstädten noch eine ganz andere Frage disktutiert werden: Wie stellen wir sicher, dass die Wahl von Barrosos Nachfolger nicht zum Chaos wird?

Rat nominiert, Parlament wählt

Im Lissabon-Vertrag ist die Vorgabe, die heuer erstmals angewandt wird, etwas schwammig: Der Rat der Regierungschefs nominiert "unter Berücksichtigung" der Mehrheitsverhältnisse im neu gewählten Parlament einen Kommissionspräsidenten, das Parlament stimmt dann über dessen Bestellung ab.

Nirgends ist festgeschrieben, dass Merkel, Faymann & Co den Spitzenkandidaten der größten Fraktion nominieren müssen. Ebenso gibt es keine Vorgabe, dass sie überhaupt einen der Spitzenkandidaten nominieren müssen. Theoretisch können die Regierungschefs irgendjemanden aus dem Hut zaubern, der bei der EU-Wahl gar nicht angetreten ist - zum Beispiel einen amtierenden (Premier-)Minister.

Praktisch wird es wohl entweder Schulz oder der EVP-Spitzenkandidat sein müssen - das Parlament wird kaum monatelang ein Duell der Spitzenkandidaten bewerben und dann jemand anderen wählen.

Suche nach der Mehrheit

Bleibt die Frage, ob es, selbst wenn sich alle an diesen Rahmen halten, so unkompliziert wird, wie manche sich das vorstellen: Die größte Fraktion stellt den Kommissionschef, alle halten sich an diesen informellen Deal, fertig. Ganz so einfach dürfte es dann doch nicht werden: Viele im Parlament und im Rat scheinen sich zwar einig zu sein, dass - ähnlich wie bei einer Regierungsbildung - der Erstplatzierte das Recht auf den ersten Versuch haben sollte, eine Mehrheit zu finden.

Doch was, wenn zb einerseits die Europäische Volkspartei Nummer eins wird und es andererseits eine linke Mehrheit im Parlament gibt? Dann könnten die Sozialdemokraten den EVP-Kandidaten aus (echten oder vorgeschobenen) inhaltlichen Gründen ablehnen und eine Chance für Schulz fordern, eine Mehrheit zu finden. In diesem Szenario müsste aber auch der Rat mitspielen - und dort gibt es eine konservative Mehrheit.

Wie (un-)kompliziert die Sache wird, dürfte ziemlich gleich nach dem Wahlsonntag absehbar sein: Schon am Montag wollen die Fraktionsführer im Parlament ausloten, wer mehrheitsfähig sein könnte. Am Dienstag kommen die Regierungschefs zu einem informellen Dinner nach Brüssel, um das selbe tun.

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