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EU-Kommission: Was Österreich von Finnland, Belgien & Co. lernen kann

Qualifikation schlug diesmal Nationalität

Philipp Hacker-Walton
über die Bestellung der EU-Kommission

Den ganzen August, sagt Jean-Claude Juncker, sei er "am Telefon gehängt", um genug Frauen für das Team seiner Kommission zu bekommen. Ursprünglich hätten nur drei von 27 Regierungen (auch) eine Frau nominiert gehabt; letztendlich wurden es neun Kommissarinnen, die Juncker diese Woche in Brüssel präsentieren konnte.

Wie Juncker eine Handvoll Regierungen umstimmen konnte? Ganz offensichtlich mit dem Versprechen, dass Kandidatinnen gute Dossiers bekommen würden - auch, wenn sie aus weniger einflussreichen Ländern kommen.

Dieses Versprechen hat Juncker wahr gemacht: Margrethe Vestager (Dänemark) ist neue Wettbewerbskommissarin, Corina Cretu (Rumänien) neue Kommissarin für Regionalpolitik, Alenka Bratusek (Slowenien) Vizepräsidentin und zuständig für die Energie-Union, usw.

Neben dem Frauen-Faktor ist bei der Zusammenstellung von Junckers Team noch etwas deutlich geworden: Es zählt immer weniger, aus welchem Land ein Kommissar kommt. "Portfolios werden an Personen vergeben, nicht an Nationen", sagte Juncker bei der Präsentation seines Teams. Soll heißen: Im Zweifelsfall zählt die persönliche Qualifikation (vor allem politische Erfahrung und die Ämter, die man schon inne hatte) mehr als der Pass.

Siehe Deutschland: Günther Oettinger, bisher Energiekommissar, ist künftig nur noch für die "Digitale Wirtschaft" zuständig - ein mageres Ressort für Deutschland, das für gewöhnlich in der EU den Ton angibt. Man kann mit einiger Sicherheit sagen: Hätte Kanzlerin Merkel eine gut qualifizierte Frau geschickt - zB Verteidigungsministerin Ursula Von der Leyen -, wäre diese eine von Junckers Vizepräsidentinnen mit Top-Dossier geworden. Das gleiche gilt für Martin Schulz, den die Sozialdemokraten gerne nach Brüssel geschickt hätten, was Merkel jedoch unter keinen Umständen wollte.

Die Gewinner dieser Prioritätenverschiebung sind kleine(re) Länder mit hochrangigen Kandidaten:

  • Die Niederlande schicken ihren amtierenden Außenminister Frans Timmermans - er wird als "Erster Vizepräsident" Junckers direkter Stellvertreter und seine "rechte Hand".
  • Estlands Ex-Premier Valdis Dombrovskis wird als Vize-Präsident für den Euro zuständig sein
  • Sloweniens Ex-Regierungschefin Alenka Bratusek kümmert sich - wie erwähnt - als Vizepräsidentin um die Energie-Union
  • Jyrki Katainen, bis vor ein paar Monaten finnischer Premier, wird Vizepräsident mit großem Aufgabengebiet: Jobs, Wachstum, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit

Katainen ist ein gutes Beispiel für einen Trend, der einige, aber längst nicht alle EU-Staaten (und schon gar nicht Österreich) erfasst hat: Dass nämlich immer mehr amtierende politische Schwergewichte, sprich: Regierungschefs, Außen- oder Finanzminister, ihre nationalen Ämter aufgeben, um nach Brüssel zu wechseln.

Katainen hat das mit einer geordneten Übergabe gemacht: Er hat schon vor dem Sommer angekündigt, sich als Premier zurückzuziehen und einen Top-Job in Brüssel annehmen zu wollen. Er ist nicht der einzige: Polens Regierungschef Donald Tusk hat diese Woche seinen Rücktritt offiziell gemacht - er wird neuer Ratspräsident als Nachfolger von Herman Van Rompuy.

Besonders Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang Belgien: Erst in letzter Minute hat das Land, in dem die EU ihren Hauptsitz hat, Marianne Thyssen als Kommissarin nominiert. Auf den ersten Blick passt das natürlich gut zu den Belgiern: Wieder einmal sind sie Monate nach einer Wahl noch ohne Regierung und können sich - zerstrittene Nation, die sie nun einmal sind - auf keinen Kandidaten einigen.

Dabei übersieht man leicht, welchen Stellenwert der belgische Kommissarsjob innenpolitisch eingenommen hat: Thyssen wurde erst nominiert, nachdem ihre Partei im Zuge der Regierungsverhandlungen FÜR IHRE NOMINIERUNG auf den Job des nächsten belgischen Regierungschefs verzichtet hat.

Eine Partei, die den Kanzler stellen könnte, aber zugunsten eines Jobs in Brüssel darauf verzichtet? In Belgien Realität - in Österreich (noch) undenkbar.

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