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EU-Gipfel und Obama-Besuch: Wenn ein Viertel zur Sicherheitszone wird

Kein Vergleich mit der Security bei einem EU-Gipfel

Philipp Hacker-Walton
über Obamas Besuch in Brüssel

Wer im Brüsseler EU-Viertel arbeitet und/oder wohnt, hat sich längst daran gewöhnt: Alle paar Wochen - in Krisenzeiten öfter - wird das Grätzl zum Sperrgebiet. Wenn die EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs stattfinden, wird der Häuserblock rund um das Ratsgebäude abgeriegelt; die U-Bahn-Station, die direkt daneben ist, bleibt für die Dauer des Gipfels gesperrt; die Busse, die sonst am Ratsgebäude vorbeifahren, werden in die nächste Querstraße umgeleitet.

Wenn man nicht direkt neben dem Ratsgebäude etwas zu erledigen hat, sind die Auswirkungen des Gipfels kaum spürbar: Nur kurz, bei den An- und Abfahrten der Spitzenpolitiker, wird einmal eine Fahrspur auf den Zufahrtsstraßen gesperrt oder eine Kreuzung abgeriegelt.

Routine-Kontrollen

Auch für alle, die zum Gipfel selbst müssen, halten sich die Sicherheitsvorkehrungen in Grenzen: Beim Betreten der Sperrzone rund wird die Akkreditierung kontrolliert, dann noch einmal unmittelbar vor und ein drittes Mal im Ratsgebäude selbst, wo es dann - wie immer bei den EU-Institutionen, also auch in der Kommission und im Parlament - einen Sicherheitscheck wie am Flughafen gibt (einzige Abweichung: Flüssigkeiten dürfen auch in größeren Mengen mitgenommen werden und die Taschen müssen nicht den Handgepäcksmaßen entsprechen).

Ist man einmal drin, läuft alles recht entspannt ab - solange man nicht gerade versucht, in die Stockwerke zu gelangen, wo sich die Politiker selbst aufhalten.

Lockerer Umgang

Und selbst der direkte Kontakt mit den EU-Granden ist verhältnismäßig locker. Zu sehen ist das zB in einem Video vom jüngsten Gipfel: Bundeskanzlerin Angela Merkel steht nicht einmal einen halben Meter weit weg von der Presse - und als ein Mikrofon zu Boden fällt, hebt sie es lächelnd und wie selbstverständlich auf (ab 0:17).

Für den Besuch von US-Präsident Barack Obama diese Woche wurden die Sicherheitsvorkehrungen um ein Vielfaches erhöht - in einem Ausmaß, die einem Nicht-Sicherheitsbeauftragten schon absurd vorkommen konnten.

Straßen- und Verkehrssperren

Der Boulevard vor Obamas Hotel wurde für die Dauer seines Aufenthalts auf rund 500 Metern komplett gesperrt, ebenso eine U-Bahn-Station, die nicht einmal direkt neben dem Hotel ist; außerdem ein ganzer Park, der hinter dem Hotel liegt. Am Ende der 500-Meter-Zone ist ein zentraler Knotenpunkt für Busse - auch der wurde inklusive der nächstgelegenen Station gesperrt, obwohl keiner der Busse Richtung Obamas Hotel fährt. Die Kosten von Obamas Besuch schätzte Brüssels Bürgermeister auf rund zehn Millionen Euro - rund zwanzig Mal so viel wie bei einem EU-Gipfel.

Die Sicherheitszone rund um das Ratsgebäude war deutlich größer als sonst, auf dem Schuman-Kreisverkehr, an dem Kommission und Rat liegen, stand ein Polizei-Auto neben dem anderen, sogar die Post-Filiale rund 250 Meter entfernt war den ganzen Tag geschlossen. In den Straßen rund um den Rat durften für zwei Tage nicht einmal Fahrräder "geparkt" werden.

Ein Security für jeden Journalisten

Obwohl ohnehin nur akkreditierte Journalisten und Mitarbeiter ins Ratsgebäude durften, war der Ein- und Ausgang rund 20 Minuten vor und nach Obamas Ankunft (mit einer Autokolonne, die rund 50 Fahrzeuge hatte) vollständig gesperrt. Ebenso eine halbe Stunde vor und während seiner 45-minütigen Pressekonferenz mit Ratspräsident Herman Van Rompuy und Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Im Ratsgebäude kam gefühlterweise auf einen Journalisten ein Sicherheitsbeamter - zum Standard-Personal hatte die US-Delegation schätzungsweise noch einmal doppelt so viele eigene Security mitgenommen. (Drei Sicherheitskräfte fehlten übrigens, nachdem sie sich tags zuvor beim Nuklear-Gipfel im niederländischen Den Haag betrunken hatten und nach Hause geschickt wurden ...)

Schräge Szene am Rande: Vor dem gemeinsamen Presse-Auftritt wurde für Obama kurz vor Beginn noch extra ein Glas Wasser mit Papierdeckel auf die ohnehin streng bewachte Bühne gebracht - die Gläser von Van Rompuy und Barroso standen da schon längst da. Deckellos, übrigens.

In welchen völlig unterschiedlichen Sicherheits-Welten der US-Präsident und die EU-Spitzen leben, zeigte sich am deutlichsten, als Obama wieder abrauschte. Während die lange Autokolonne mit der präsidialen Limousine mit viel Blaulicht die gesperrte Straße vor dem Ratsgebäude hinwegbrauste, war der Ein-/Ausgang dort wieder gesperrt. Neben mir unter den wartenden Journalisten: Jose Manuel Barroso, der - nachdem die Obama-Kolonne weg war - über die Straße in die Kommission spazierte. Unbewacht.

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