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Die Kommission muss kleiner werden - oder neu geordnet

Alle wollen sparen - bei den Anderen.

Philipp Hacker-Walton
über die Verkleinerung der EU-Kommission

Die deutsche CSU hat zum Start ihres EU-Wahlkampfes am vergangenen Wochenende eine alte Forderung aufgegriffen, die wir bis zur Europa-Wahl Ende Mai wohl noch von vielen Seite hören werden: Die EU-Kommission soll verkleinert werden.

CSU-Spitzenkandidat Markus Ferber ist mit dieser Idee wie gesagt nicht alleine: Parlamentspräsident Martin Schulz hält eine Verkleinerung der Kommission für sinnvoll ("Weniger ist manchmal mehr"), und auch Österreichs Außenminister Sebastian Kurz kann sich mit einer kleineren Kommission grundsätzlich anfreunden.

Tatsächlich ist die Brüsseler Behörde mit der Zeit stetig gewachsen, und weil mit jedem neuen Mitgliedsland auch ein weiterer Kommissar dazugekommen ist, sind manche nur noch für kleine bzw. auf europäischer Ebene kaum präsente Themen zuständig. Als letzten Sommer Kroatien als 28. Mitglied zur EU kam, musste schon das Portfolio Gesundheit und Konsumentenschutz zweigeteilt werden, damit der kroatische Kommissar einen eigenen Aufgabenbereich bekommt.

Kommissare mit Mini-Ressorts

Das führt naturgemäß zu einer Schieflage, was die Bereiche, die Macht und Budgets der Kommissare anbelangt: Schwergewichten wie Olli Rehn (Wirtschaft und Währung), Viviane Reding (Justiz), Michel Barnier (Binnenmarkt) oder Johannes Hahn (Regionalpolitik) stehen Kommissare mit Mini-Portfolios gegenüber, zb Neven Mimica (Verbraucherpolitik), Maria Damanaki (Fischerei) oder Andris Piebalgs (Entwicklung).

Manche sehen in der Schaffung der Mini-Ressorts auch einen Grund darin, dass sich die EU-Kommission um gar so viele Regulierungen kümmert - weil eben jeder Kommissar auch etwas zu tun haben muss.

Verkleinerung vertagt

Dass die Kommission mit der Zahl der Mitglieder wachsen würde, war freilich absehbar - und tatsächlich haben die EU-Staaten auch schon vor Jahren auf diese Entwicklung reagiert: Im Lissabon-Vertrag, der 2007 unterzeichnet wurde, ist eine Verkleinerung der Kommission schon vorgesehen. Ab November 2014 (also mit der neu besetzten Kommission nach der EU-Wahl) solle die Zahl der Kommissare nur noch zwei Drittel der Zahl der Mitgliedsstaaten betragen - das wären bei 28 Mitgliedern also, je nach Rechnung, 18 oder 19 Mitglieder.

In diese Klausel wurde jedoch ein Schlupfloch eingebaut: Mit einstimmigem Beschluss der Staaten könne die Verkleinerung verschoben werden - und genau das wurde den Iren versprochen, nachdem die erste Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag negativ ausging. Im zweiten Anlauf stimmten die Iren dann dafür - und im Mai 2013 hielten sich die Regierungschefs an ihr Versprechen und vertagten die Verkleinerung der Kommission.

Wer muss ab 2019 verzichten?

Der aktuelle Stand: Ab 2019 (oder, wenn die EU vorher 30 Mitglieder haben sollte, was aber auszuschließen ist), nach der nächsten EU-Wahl also, soll die Zahl der Kommissare nach der Zweidrittel-Regelung reduziert werden.

Bei aller Befürwortung für eine kleinere Kommission wird das in den Mitgliedsstaaten nicht nur für Jubel sorgen - denn wer will schon freiwillig auf "seinen" Kommissar verzichten? Politiker, Firmen- und Branchenvertreter wissen es zu schätzen, dass man in der Kommission einen Ansprechpartner aus dem eigenen Land hat. "Es geht gar nicht darum, dass der österreichische Kommissar dann automatisch österreichische Anliegen vertritt", sagt ein Banker, "aber es hilft ungemein, wenn man in der Kommission jemanden hat, dem man nicht erst erklären muss, wie die Bankenwelt in Österreich aussieht, welche nationalen Besonderheiten es gibt usw."

Unterm Strich wird es wohl sein wie in vielen Spardebatten: Jeder ist grundsätzlich für Einsparungen - solange sie möglichst beim Nachbarn stattfinden.

In Brüssel wird jetzt schon an einer Kompromissvariante gearbeitet, wie die Kommission bei gleicher Größe (irgendwie wird sich die Lissabon-Klausel schon weiter verschieben lassen) effizienter werden kann: Zum Beispiel, in dem "Teams" von Kommissaren gebildet werden, die jeweils von einem der Vizepräsidenten geführt werden. Laut einem Bericht der Süddeutschen könnten zB alle Aufgaben, die Jobs und Wachstum betreffen, bei einem Vizepräsident zusammenlaufen, der sie auf drei bis fünf Kommissare verteilt.

So könnte weiter jedes Land seinen Kommissar nach Brüssel schicken, und weiterhin würde es ein beachtliches Machtgefälle geben - nur eben offiziell festgeschrieben, und ohne die vielen Mini-Ressorts.

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