Mehr Platz

Weg mit der "weißen Brille" über Afrika

Der Kontinent Afrika sorgt in Österreich derzeit für reichlich Gesprächsstoff – oder zumindest das, was Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck über ihn zu sagen hat. "Afrika ist nicht nur ein Land, aus dem Flüchtlinge kommen. Das ist oft das Bild, das hier in Europa verbreitet wird. Sondern es ist ein Land voller Chancen, voller junger Menschen, die hoch digitalisiert sind", äußerte Wirtschaftsministerien Margarete Schramböck in einem ORF-Interview im Vorfeld eines Treffens mit Vertretern afrikanischer Staaten in Wien. 

Weitaus tiefer verankert

Dass eine Ministerin, die davor Chefin des Konzerns A1 war, solche Aussagen tätigt, ist natürlich peinlich. Diese eurozentrische und verallgemeinernde Sicht eines ganzen Kontinents, ist aber weit über die Grenzen von unangemessenen Aussagen von PolikterInnen verankert.

Alle Inhalte anzeigen

„Spenden für Afrika“, „Hilfe für Afrika“, „Hungernde Kinder in Afrika“ – diese Phrasen hat sicher jeder von uns irgendwo schon irgendwo gehört, gelesen und wahrscheinlich sogar selber gesagt. Das Narrativ vom „armen Afrika“ dem wir Europäer helfen „müssen“, unsere Spenden hinschicken und alte Kleidung abgeben, wer kennt es nicht? Ja, sogar Maturanten machen es sich zur Aufgabe, diesen Menschen zu helfen. 

Vielleicht hat man die Elternfloskel „Iss dein Essen auf. In Afrika verhungern täglich Kinder“ ein paar Mal zu oft gehört. Oder vielleicht geht das "Gap Year", dass man mit karitativen Tätigkeiten im aufregenden Afrika nutzt, auch leichter von der Zunge? Wie exotisch!

Bewusstsein statt weißem Rettertum

In sensibilisierten Kreisen wird das als „White Saviorism“ beschrieben. Gemeint ist damit, das Phänomen, bei dem weiße Menschen aus dem Globalen Norden sich dazu berufen fühlen, in Ländern des globalen Südens Entwicklungs-, Aufklärungs- oder Hilfsarbeit zu leisten.  Dass man dabei Machtstrukturen, die aus Jahrhunderten der Kolonialisierung von Europäern herrühren, ausblendet und diese damit erst recht stärkt, ist der größte Kritikpunkt. Ein anderer ist, dass man damit den Menschen ihre Mündigkeit nimmt, sowie wieder rassistische Klischees bedient.

„Ich wollte schon immer mal nach Afrika“ hört man selbst die wokesten und sonst so reflektierten Menschen sagen. In Europa, oder eben Österreich, ist es seit jeher üblich von dem riesigen Kontinent zu reden als wäre es Land. Ein Land, in dem „Afrikaner leben“ und auch „Afrikanisch“ gesprochen wird. 54 Staaten, 1,3 Milliarden Menschen, zahlreiche Sprachen und Kulturen, werden damit einzig und allein auf die Hautfarbe reduziert. Es ist problematisch und traurig, dass wir mit einem 30,2 Millionen Quadratkilometer großen Kontinent, einfach nur „Schwarze“ verbinden. Oder wer hier kann mehr als fünf afrikanische Länder aufzählen und sagen, wo diese ungefähr liegen?

Es ist längst Zeit, unsere „weiße Brille“ abzunehmen, und einen Kontinent in seiner ganzen Vielfalt zu sehen.