Sobotka in Serbien: Europa ohne Westbalkan unvollständig
Bei seinem Besuch in Serbien hat Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) die Bedeutung der Westbalkanstaaten für die EU betont: "Europa ist ohne den Westbalkan unvollständig", sagte er am Mittwoch bei einem Treffen mit seinem Amtskollegen Vladimir Orlić im Belgrader Parlament vor Journalistinnen und Journalisten. Europa könne gegenüber China und den USA nur gemeinsam auftreten.
Europa brauche allerdings einen neuen Anlauf, um "nicht nur die Politik zu erreichen, sondern auch in den Herzen der Menschen präsent zu sein", sagte Sobotka. Sein Fazit nach seiner dreitägigen Reise in die drei Westbalkan-Staaten Kosovo, Montenegro und Serbien: Die proeuropäische Einstellung sei in den vergangenen Jahren stärker geworden - wenn auch nicht unbedingt bei der Bevölkerung.
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Sobotka: "Österreich unterstützt alles, was zu einem Dialog führt"
Während Montenegro und Serbien bereits EU-Beitrittskandidaten sind, ist der Kosovo als potenzieller Beitrittskandidat eingestuft, erhält aber mit spätestens 1. Jänner 2024 Visafreiheit für die Schengenzone. Der anhaltende Streit zwischen der früheren jugoslawischen Teilrepublik Serbien und dessen ehemaliger Provinz Kosovo ist ein Hindernis auf dem Weg beider Staaten in die Europäische Union. Bisher konnten sich Prishtina und Belgrad nicht auf einen Rahmen für die Sicherung einer größeren Autonomie für Gemeinden mit serbischer Mehrheit einigen, zuletzt auch nicht bei einer neuen Gesprächsrunde unter EU-Leitung.
"Österreich unterstützt alles, was zu einem Dialog führt und alles, damit beide Seiten nicht den Dialog verlieren", sagte Sobotka. Er wolle mentale Brücken bauen, auch zu den Parlamentarierinnen und Parlamentariern, hatte er am Montag in Prishtina im Anschluss an ein Gespräch mit dem kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti erklärt. Die Unterstützung und Begleitung Österreichs auf dem Weg in die EU werde in allen Westbalkan-Staaten als "wertvoll" erachtet, so Sobotka am Mittwoch. Und das Abkommen von Ohrid sehe er als gutes Fundament, auf das man weitere Schritte setzen und auf das man aufbauen könne.
Deal zwischen Kurti und Vučić
Der Kosovo hatte sich 1999 mit NATO-Hilfe von Serbien abgespaltet und sich 2008 für unabhängig erklärt. Diesen Schritt seiner früheren Provinz akzeptiert Serbien nicht. Ein EU-Plan schlägt nun vor, dass Belgrad die Eigenstaatlichkeit seiner ehemaligen Provinz zur Kenntnis nimmt und dass die beiden Staaten die Grenzen sowie Pässe und Autokennzeichen des jeweils anderen Landes anerkennen und diplomatische Vertretungen eröffnen.
Mitte März hatten sich im nordmazedonischen Ohrid der kosovarische Ministerpräsident Kurti und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić bei einem EU-vermittelten Treffen auf einen "Deal, eine Einigung, wie es zu machen ist" geeinigt, wie EU-Außenbeauftragter Josep Borrell über den Weg zu einer Normalisierung beider Länder sagte. Vučić allerdings hatte die Abmachung am Ende nicht unterschrieben.
Nach seinem Treffen mit Sobotka am Mittwoch erklärte Vučić via Instagram, er habe bezüglich des Dialogs mit Prishtina "noch einmal betont, dass der weitere Normalisierungsprozess von der Bildung der Gemeinschaft der serbischen Gemeinden abhänge. Am Montag hatte der kosovarische Parlamentspräsident Glauk Konjufca in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Sobotka indes von einem "inakzeptablen Verhalten von Serbien" gesprochen, "nicht nur im Kosovo, sondern auch in der Region". Für den Kosovo sei die Anerkennung der Unabhängigkeit die "substanzielle Säule", so Konjufca.
Er hoffe, dass "wir auf den Weg eines Kompromisses kommen", so Sobotka am Mittwoch in Belgrad. Und mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: "Wann, wenn nicht jetzt brauchen wir neue Initiativen, um Länder in die Europäische Union zu führen."