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Ehemalige Flüchtlinge erzählen: "Sie werden hierbleiben, wie wir"

Sie gehören zu jenen 382.700 Staatsangehörigen des ehemaligen Jugoslawiens, die wegen der verheerenden Bürgerkriege (1991 – 2001) geflohen sind und heute in Österreich leben. Zu jenen, deren Schicksale sich ob des Krieges in der Ukraine wieder in Erinnerung rufen.

Wie kann Integration in einem fremden, wenn auch teils unmittelbaren Nachbarland gelingen? Was waren und sind die größten Hürden, was die größten Überraschungen für Kriegsflüchtlinge? Der KURIER hat nachgefragt.

Der Gastronom

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Kemal Smajić floh 1992 als Elfjähriger vom bosnischen Zvornik – einer der ersten Städte, die von der serbischen Armee besetzt wurde – nach Wien. „Wir haben uns sehr kurzfristig entschieden, dass wir das Land verlassen“, erzählt Smajić. Die Familie wollte ursprünglich zu Freunden nach Schweden, die deutsche Grenze war aber geschlossen. Smajić lebte zuerst in einem Notzentrum im 22. Bezirk, später in einer Pfarre, besuchte eine zweisprachige Flüchtlingsschule. Im Gegensatz zu seinen Eltern, für die es keine Integrationsmaßnahmen gab, sei er gut aufgenommen worden.

Dennoch: Mit Anfang 20, als Student, sei er noch davon überzeugt gewesen, nach Bosnien zurückzukehren – wie viele seiner Landsleute. Doch in der alten Heimat lagen nicht nur Gebäude in Trümmern: „Der Krieg hat vielschichtige Opfer. Die sind nicht nur direkt an der Front. Die Gesellschaft wird durch einen Krieg zerstört. Sie wird garantiert nie wieder genau die gleiche sein wie davor.“

Das sei auch der Grund, warum viele Ex-Jugoslawen in Österreich geblieben sind. Die Gesellschaft sei nach dem Krieg „eine komplette andere“ gewesen – korrupt, nationalistisch. „Ich wollte nie, dass meine Kinder in so einer Gesellschaft aufwachsen.“

Wenn er heute Bilder ukrainischer Flüchtlinge sieht, verfällt Smajić in eine Art Schockstarre, schlimme Erinnerungen werden wach: „Ich will mich am liebsten in eine dunkle Ecke verkriechen, wo mich niemand sieht und weinen.“ Smajić glaubt: Je länger der Krieg in der Ukraine dauert, je mehr zerstört wird, umso mehr Menschen werden nicht mehr zurückkehren: „Nicht nur, weil ihre Häuser nicht da sein werden, sondern weil sie komplett in einem anderen Leben sein werden.“ 170.000 geborene Bosnier führen heute ein neues Leben in Österreich. Smajić, gelernter Wirtschaftsinformatiker, arbeitet als Kulturmanager und Gastronom.

Die Politikerin

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Selma Arapović hat einen ähnlichen Weg hinter sich. Vor 30 Jahren aus Bosnien geflohen, hat die heute 45-jährige Architektin in der Politik Karriere gemacht, sitzt für die Neos im Wiener Landtag. „Es ist ein langer Prozess nach der Flucht bis die Selbstbestimmung wieder erlangt ist. Es dauert noch etwas länger bis man sich dieser wiedererlangten Selbstbestimmung auch bewusst wird“, sagt sie.

Es gebe Dinge, die den Integrationswillen hemmen würden: Unklarheit über den Aufenthaltsstatus, von der FPÖ geschürte Ausländerfeindlichkeit, behördliche Hürden. Gleichzeitig habe sich ihr Leben in Österreich über die Jahre mit Inhalten – Ausbildungen, Freunden, Freizeit – gefüllt, bis eine Rückkehr nicht mehr infrage kam. „Der Sport hat mir hier sehr geholfen, weil ich sehr schnell den Anschluss zur lokalen Volleyballmannschaft gefunden habe und dort hat gezählt was ich kann und weniger woher ich komme“, sagt Arapović.

Woran sie der Krieg in der Ukraine erinnere? „Der Glaube, dass der Krieg schnell endet, der Wunsch bald wieder nachhause zurückzukehren und die Hoffnung, dass die Internationale Staatengemeinschaft hilft.“

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Der Pensionist

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Pensionist Ibrahim Mulaomerović kam erst mit 51 Jahren nach Österreich. Der heute 80-Jährige meint: „Ich bin mir sicher, dass jeder Flüchtling am Anfang heimkehren möchte.“ Es gebe eine starke menschliche Verbindung mit dem Geburtsort, den Kindheitserinnerungen.

Mulaomerović ist geblieben. Mit dem Daytoner Friedensabkommen wurde der Krieg in Bosnien und Herzegowina 1995 zwar formal beendet: „Ungelöst blieb aber das grundlegende Problem der Missverständnisse und Feindseligkeiten zwischen den drei verschiedenen ethnischen Gruppen in diesem Land.“ Bosniaken, Serben und Kroaten würden immer noch um die Vorherrschaft streiten. „Österreich ist ein zivilisiertes Land, das meinen Nachkommen die Chance gegeben hat, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Also blieb ich in Österreich.“

Mulaomerović sieht bei den Ukrainern eine „Parallele der Verfolgung, alles ist wie bei uns Bosniern“. Viele Flüchtlinge aus der Ukraine seien gut gebildet und ausgebildet – ein Gewinn für Österreichs Wirtschaft: „Diejenigen, die sich mutig dem Kampf um die Integration in diese Gesellschaft stellen, werden hierbleiben, wie ich es getan habe.“

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