Mehr Platz

Eine jüdische Sekte sorgt für Kopfzerbrechen in Bosnien-Herzegowina

Die Bewohner des Sarajevo-Vorortes Kula sind in Sorge. Eine Personengruppe, die eine spezifische Lebensweise zu führen scheint, hat sich in ihrer Nachbarschaft angesiedelt. Die anfängliche Verwunderung über "seltsam gekleidete Menschen" machte der Erkenntnis Platz, dass es sich dabei um Mitglieder der Sekte "Lev Tahor" handelt, die man auch "jüdische Taliban" zu nennen pflegt. 

Das bestbesuchte Portal das Landes Klix.ba hat in Erfahrung gebracht, dass Ende Dezember eine größere Personengruppe mit vielen Kindern in die Siedlung gezogen ist. Anfangs fielen die Neuankömmlinge durch ihren Kleidungsstil auf. Demnach trügen alle identische Kleidung. Im Laufe der Zeit wurde die Nachbarschaft immer misstrauischer. Die Ortsbewohner beklagten gegenüber Klix.ba, ihre neuen Nachbarn würden sie die ganze Nacht Rituale durchführen. Vor allem Kinderstimmen seien aus dessen Häusern zu hören.

Was den Einheimischen auch aufgefallen ist: Die "Neuen" würden nichts tun, mit niemandem aus der Gegend kommunizieren. Den ganzen Tag würden sie im Gebet verbringen, behaupten sie. Das ist im orthodoxen Judentum allerdings gebräuchlich.

Aufgrund von entstandenen Zweifeln hätten sie eine Google-Recherche durchgeführt, um an mehr Informationen über die neuen Nachbarn heranzukommen.

Unerwünscht

Von der Einwanderungsbehörde habe Klix.ba die Information bekommen, dass in Kula derzeit 37 ausländische Staatsangehörige aus den Vereinigten Staaten, Kanada und Guatemala leben würden. Ihre Einreise nach Bosnien und Herzegowina wurde im November 2021 registriert. Sie könnten auf der Grundlage des bosnischen Aufenthaltsrechts drei Monate lang ohne Visum im Land verweilen. Es handle sich nach Angaben der Behörde um eine Personengruppe, die "in extremer Weise religiöse Überzeugungen praktiziert". Noch nicht bekannt sei, ob den Mitgliedern der Gruppe Straftaten angelastet werden.

Einer der Bewohner Kulas verriet dem Portal Katera, er habe im Internet Fotos und Aufnahmen der Sekte Lev Tahor gefunden, auf denen er zwei seiner neuen Nachbarn wiedererkenne, sowie Gegenstände, die er mit ihnen gesehen habe, etwa baugleiche Kinderwagen.

Die Bewohner von Kula informierten die Polizei und das Ausländeramt über ihre Erkenntnisse und Befürchtungen. Angeblich soll diese Gruppe auf Druck der Einheimischen Anfang Februar wieder wegziehen.

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In aller Unschuld

Lev Tahor genießt in der Welt kein gutes Ansehen, wird von anderen jüdischen Gemeinden als extrem und radikal angesehen. Die israelische Tageszeitung Haaretz bezeichnet die kleine Gemeinde als "jüdische Taliban" oder "Taliban-Sekte". Gegründet wurde Lev Tahor (bedeutet übersetzt aus dem Hebräischen "reines Herz") 1988 von einem jungen Rabbi namens Shlomo Helbrans. In aller Unschuld, so verheißt es der Name dieser ultra-orthodoxen jüdischen Sekte, sollen die Mitglieder ein gottgefälliges Leben führen. 

"Doch wo immer sie auftauchten in den vergangenen drei Jahrzehnten, folgten schnell schwere Vorwürfe von der Gehirnwäsche über Kindesmisshandlung bis hin zur Entführung", heißt es in einer Reportage der Süddeutschen Zeitung, die im Oktober vergangenen Jahres erschienen ist. Die ursprünglich aus Israel stammende Gruppierung mit geschätzt 250 Mitgliedern wechselte deshalb oft ihre Stützpunkte, zog von den USA nach Kanada nach Guatemala. Zuletzt plante sie laut der Süddeutschen einen Umzug in den Iran. Geworden ist es am Ende doch Bosnien und Herzegowina. Es stellt sich nun die Frage, für wie lange?