Kaum zu glauben, aber: Balkan-Küche geht auch ohne Fleisch
Von Mirad Odobašić
Ćevapi, Ražnjići, Pljeskavica - diese Gerichte prägen das allgemeine Bild der Balkan-Küche: Fleisch, Fleisch und noch mehr Fleisch. Dabei hat die Küche aus dem für seine ewigen Turbulenzen berüchtigten Südosten Europas viel mehr als nur Fleischgerichte zu bieten. Das zeigt das Buch „Balkan Vegan“. Verfasst wurde es von einer kleinen Familie aus Wien, die Veganismus leibt und lebt.
Vor über 20 Jahren haben Jelena Cvetković Šarkanović und ihr Mann Igor angefangen, sich vegetarisch zu ernähren. Nachdem ihr Sohn Bor auf die Welt gekommen war und ein Jahr lang mit unerklärlichen allergischen Reaktionen zu kämpfen hatte, stellte Jelena ihre Ernährung mehrmals um - erfolglos. „Eines Tages räumte ich alle Milchprodukte aus dem Kühlschrank und warf sie weg“, erinnert sich die gebürtige Slowenin. Kurze Zeit später verschwanden die schlimmen Ausschläge beim Kind. Dessen Gesundheit war aber nur einer der Gründe, warum sie vegan wurde. Sie tat es auch der Umwelt und den Tieren zuliebe, sagt sie.
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Balkans vegane Exoten
Bor ist heute zehn Jahre alt und stellt gemeinsam mit den Eltern eine Attraktion bei veganen Messen und Events in ganz Österreich dar. „Bei unseren Koch-Shows bereite ich meistens die Gerichte zu, während die Burschen das Ganze moderieren“, sagt Jelena Cvetković Šarkanović schmunzelnd. „Mein Mann und ich kreieren gerne neue Gerichte, kochen aber auch die Klassiker der Balkan-Küche wie Sarma oder Speisen unserer Großmütter wie Popara (Brotbrei) und Pihtija od boba (Bohnenkuchen)“. Für den Sohn ist Fleisch nicht mehr als ein Begriff. Er hat es in seinem Leben noch nicht geschmeckt. „Wenn er gefragt wird, wie es für ihn ist, alle seine Freunde Fleisch essen zu sehen, selbst aber darauf zu verzichten, antwortet er: ’Ich verstehe nicht, warum sie Fleisch essen’“, sagt der aus Bosnien-Herzegowina stammende Igor Šarkanović.
Kinder wie Bor findet man in Österreich selten, in den Balkanländern fallen sie gar in die Kategorie Exoten. „Als wir heuer bei einem veganen Festival in Sarajevo waren, kam eine Mutter auf uns zu und bedankte sich dafür, dass wir gekommen sind. Ihr Sohn sei vegan und sie sei froh, ihm zeigen zu können, dass er nicht der Einzige ist“, schildert die Slowenin, wie es am Balkan um Veganismus bestellt ist. Sie beobachte jedoch, dass dort eine vegane Szene entsteht. So wurden sie heuer zu veganen Festivals in Slowenien, Kroatien, Serbien und eben Bosnien-Herzegowina eingeladen. „In den Hauptstädten Belgrad, Zagreb oder Sarajevo findet man schon, wenn auch vereinzelt, vegane Restaurants. Das war früher nicht denkbar“.
Zutaten
500 g weiße Bohnen
400 g Zwiebel
1 getrockneter Paprika (rot)
1 Lorbeerblatt
5 EL Öl
1 EL rotes Paprikapulver (edelsüß)
Zubereitung
- Waschen Sie die Bohnen mehrmals, übergießen Sie sie am Ende mit warmem Wasser und lassen sie über Nacht stehen.
- Am nächsten Tag das Wasser abgießen, neues Wasser einfüllen und aufkochen. Das Wasser erneut wechseln, das Lorbeerblatt, den trockenen roten Paprika und ein wenig Salz dazugeben und auf kleiner Flamme kochen lassen, bis die Bohnen weich sind.
- Das Öl in einer Pfanne erhitzen und die Zwiebelringe darin anbraten. Paprikapulver hinzufügen und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Alles miteinander vermischen.
- In einen Tontopf eine Schicht gekochte Bohnen mit etwas Kochwasser geben, dann eine Schicht gebratene Zwiebeln und schließlich wieder eine Schicht Bohnen. Darüber kommt gemahlener, in Öl gebratener roter Paprika.
- In einen vorgeheizten Ofen geben und ca. 1 Stunde bei 180° C backen, bis der Auflauf gebräunt ist.
Fleisch als Statussymbol
Denkbar ist für den Großteil der Menschen auf dem Balkan die Entscheidung gegen das Fleisch immer noch nicht. „Dabei sind dort im Grunde viele Speisen schon fleischlos - auch weil sich unsere Vorfahren früher kein Fleisch leisten konnten. Gegessen wurde es meist nur an den Feiertagen“, erklärt die Buchautorin. Das Fleisch sei in Ex-Jugoslawien erst mit dem neu gewonnenen Wohlstand in den goldenen 1970er-Jahren auf dem Tisch gelandet - auch als Statussymbol. "Menschen am Balkan sind Fleisch so sehr gewohnt, dass sie glauben, ohne es würde ein Gericht nicht schmecken können bzw. sie könnten ohne Fleisch nicht satt werden", erklärt Igor Šarkanović. Er und seine Frau hingegen haben eine völlig neue Geschmackswelt entdeckt.
In diese versucht die dreiköpfige Familie bei ihren Koch-Shows andere einzuführen. Noch scheuen Jelena, die als grafische Designerin arbeitet, und Igor, in der IT-Branche daheim, den Eintritt in die Gastro-Welt. „Den Wunsch gibt es schon. Auch die Nachfrage, denn die Verkoster bei unseren Koch-Shows fragen, wo sie unsere Gerichte kaufen können“, sagt sie. Die Verantwortung für einen Gastrobetrieb wolle sie aber nicht übernehmen. Noch nicht.
Buchtipp:
"Balkan Vegan. Pflanzliche Spezialitäten der Balkanküche.“
Selbstverlag.
132 Seiten.
26,99 Euro
Erhältlich unter
www.bitewithzest.com
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