Rapunzel mit nussigem Geschmack: Vogerlsalat hat im Winter Hochsaison
Von Gabriele Kuhn
Kleine, grüne Nestchen: Vogerlsalat sieht auf den ersten Blick so aus, als könnte man darin ein paar Ostereier verstecken. Doch bis zu Ostern dauert es noch eine ganze Weile, zudem hat die tiefgrüne Salat-Köstlichkeit dann gar keine Hochsaison mehr, weil es hoffentlich schon sonnig und warm ist. Das mag er nicht – und heiß mag er es schon gar nicht. Vogerlsalat gilt als Wintersalat schlechthin, immerhin hält er Frost bis zu minus zwanzig Grad aus.
Wohl deshalb gilt er auch als Vorzeigemodell für ökologischen, regional-saisonalen Winter-Anbau ohne hohe Energiekosten: „Vogerlsalat wird schon seit Generationen genau in der Art und Weise produziert, wie wir sie hier propagieren: ungeheizt in einfachen Kulturräumen“, vermerkt Wolfgang Palme, Experte für Wintergemüse, in seinem Buch „Frisches Gemüse im Winter ernten“ (Verlag Löwenzahn). Vogerlsalat wächst übrigens auch im Garten, wo er sich als Wintergast im Hochbeet und selbst im Balkonkisterl gut macht. Selbstversorger können sich dann über eine kleine, feine Ernte freuen. Für ein paar schöne Portionen frischen Grüns mit fein geschnittenen, gekochten Kipflern und gebratenem Speck geht es sich auf jeden Fall aus.
Ein Salat, der beruhigt?
Ein kurzer Ausflug ins Botanisch-Gärtnerische: gefrorene Blätter nicht abschneiden, weil sie sehr sensibel sind und in der Küche dann matschig werden. Lieber wartet man auf die Mittagssonne und erntet dann. Vogerlsalat gehört zur Familie der Baldriangewächse, die darin enthaltenen Baldrianöle verleihen ihm das nussige Aroma. Er wirkt angeblich beruhigend-nervenstärkend und gilt mit seinen vielfältigen Inhaltsstoffen (von Betacarotin, B-Vitaminen bis zu Zink, Kalzium, Magnesium) als Star der Naturmedizin. Sein Vitamin-C-Gehalt ist von allen Salatsorten der höchste.
35 Milligramm Vitamin C enthält Vogerlsalat pro 100 g. Das macht ihn zum Vitaminbooster. Und mit 2 mg Eisen pro 100 g ist er ein toller Eisen-Lieferant
Nicht überall heißt Vogerlsalat so wie hierzulande, in Deutschland ist er auch als Feldsalat, Ackersalat, Schafmaul, Rebkresse, Mauseöhrchen, Nüsslisalat oder Rapunzel bekannt. Letzteres hat angeblich mit dem bekannten Märchen der Gebrüder Grimm zu tun: Darin wird ein Mädchen Rapunzel genannt, weil die Mutter während der Schwangerschaft einen Heißhunger auf die „Rapunzeln“ hatte, die in Nachbars Garten wuchsen. Bis heute ist nicht klar, ob damit tatsächlich der Salat gemeint war oder vielleicht doch eher die Rapunzel-Glockenblume oder aber ein Wildgemüse namens Teufelskralle, rübchenförmig, ebenfalls Rapunzeln genannt.
Sand zwischen den Zähnen
Zurück ins Hier und Jetzt: Da passt Vogerlsalat zu vielen typisch winterlich-deftigen Gerichten, macht sich aber auch in bunten Salatschüsseln gut. Begleiter wie geröstete Nüsse, Linsen, Eier, Speck, Schwammerl, Orangen, Äpfel oder diverse Käsesorten (Ziege, Schaf, Gorgonzola!) liebt er, ebenso wie besonders aromatische, leicht süßliche Marinaden, zum Beispiel mit Quitte, Honig, Senf, Granatapfelkernen. Dazu passen die etwas exotischeren Essigsorten, wie Himbeeressig oder eben auch Essig aus Granatapfelkernen. Bevor man ihn serviert, gehört er gut (aber vorsichtig!) gewaschen und von den Wurzeln befreit, sonst reibt der Sand zwischen den Zähnen. Nach dem Kauf sollte er rasch verwendet werden, er ist nicht besonders lagerfähig und sensibel, weil er schnell matschig und schwarz wird. Idealerweise wird er in einem feuchten Tuch eingeschlagen, dann hält er sich im Eiskasten einige, wenige Tage und bleibt schön knackig. Übrig gebliebene Blättchen machen sich im grünen Smoothie gut, gemeinsam mit Blattspinat oder Grünkohl.
Zwei Rezepte
Vorbereitung: 10 min
Zubereitung: 20 min
Portionen: 4
- 300 g Vogerlsalat
- 1 Zwiebel
- 1 Zehe Knoblauch
- 100 g Sellerie
- 20 ml pflanzliches Öl
- 500 ml Gemüsesuppe
- Salz
- 3–4 EL Crème fraîche
- etwas Walnussöl
- ein paar Scheiben Weiß- und Schwarzbrot
- Vogerlsalat waschen, Zwiebel fein würfel, Sellerie in grobe Stücke schneiden
- Öl in einem Topf erhitzen, darin Zwiebel mit Sellerie kurz anschwitzen. Mit der Gemüsesuppe aufgießen und eine Viertelstunde köcheln lassen
- Vogerlsalat, Knoblauch und Salz zugeben, kurz mitköcheln lassen. Alles mit einem Pürierstab sehr fein pürieren
- Am Schluss Crème fraîche zugeben und nochmals pürieren, sodass die Suppe schön schaumig wird
- Suppe in Teller geben, mit Vogerlsalat-Blättern garnieren, mit ein paar Tropfen Walnussöl beträufeln. Dazu passen im Rohr geröstete, knusprige Brotscheiben
Vorbereitung: 10 min
Zubereitung: 7 min
Portionen: 6
- 6 große Handvoll Vogerlsalat
- 3 Avocados
- 3 Orangen
- 2 Granatäpfel
- 3 gekochte Eier
- etwas frisch geriebener Kren
DRESSING
- 2 Eier
- 2 Knoblauchzehen
- 2 TL scharfer Senf
- 1 Tl flüssiger Honig
- 4-5 EL Zitronen- oder Limettensaft
- 100 g frisch geriebener Kren
- 6-7 EL Öl (Olivenöl oder Walnussöl)
- Salz, Pfeffer aus der Mühle
- Vogerlsalat waschen, vorsichtig trockenschütteln
- Orangen schälen, vom Weißen befreien, filetieren
- Avocados schälen und in Scheiben schneiden
- Granatapfelkerne herauslösen, Saft auffangen
- Eier schälen und vierteln
- Für das Dressing: Eier mit Kren, Salz, Pfeffer, Senf, Zitronen/Limettensaft und Saft der Granatäpfel in einen Behälter geben und mit einem Pürierstab gut vermixen Das Öl tröpfchenweise zugeben, sodass ein schön cremiges Dressing entsteht
- Sämtliche Zutaten (bis auf die Eier) für den Salat in einer Schüssel arrangieren, Dressing vorsichtig untermischen, mit den gekochten Eiern garnieren und mit geriebenem Kren bestreuen