Österreichisches Weichselbier nach belgischer Kriek-Art
Wenn ein Belgier im Marchfeld zuhause ist und ihm eigentlich nur ein belgisches Kriek aus der Heimat fehlt, braut er sich dieses einfach selbst. Ganz so einfach ist es nicht. Doch Peter Comhaire hat es geschafft, seine Idee vom selbstgebrauten Weichselbier umzusetzen und sich damit den 2. Platz bei der ABC 2022 zu sichern. In einem Interview erzählt er uns, wie ihm das gelungen ist.
Peter, wie bist du auf die Idee gekommen, belgisches Bier in Österreich zu brauen?
Kriek ist mein Lieblingsbier. Leider gibt es das richtige Kriek auch dort kaum noch. Immer öfter wird einfach Bier mit Sirup gemischt (ähnlich wie bei uns der Radler) - das geht viel schneller. Auf den Genuss von richtigem Kriek wollte ich allerdings nicht verzichten. Also warum nicht ein eigenes Kirschbier brauen? Es wäre doch schade, wenn dieses köstliche Bier verloren geht.
Was ist das Besondere am Kriek?
Ursprünglich haben belgische Bauern die örtlichen Lambic-Biere mit Sauerkirschen aus ihren Obstgärten gemischt. Die Städter, die am Wochenende aufs Land fuhren, liebten das Kriek. Das Weichselbier wurde bald in großen Mengen produziert. „Oude Kriek“ ist heute eine geschützte Marke für Biere, die entsprechend der Tradition hergestellt werden. Die Herstellung von Kriek-Bier dauert allerdings sehr lange. Es braucht schon bis zu drei Jahre, bis das Lambic reif ist. Dann kommen erst die Sauerkirschen dazu. Je nach Zuckergehalt kann es noch einmal mindestens ein Jahr, bis das Kriek fertig ist.
Was ist ein Lambic-Bier?
Normalerweise wird dem Bier im Brauprozess Hefe beigesetzt. Ein Lambic-Bier wird spontan gegärt. Das heißt, die Gärung erfolgt durch wilde Hefe aus der Luft. Wie fast alle Biere entsteht Lambic aus Hopfen, Weizen, Gerstenmalz und Wasser. Zuerst wird die sogenannte Würze gekocht und in Kupfertanks gefüllt. Wenn der spontane Gärungsprozess begonnen hat, wird das Bier in Holzfässer umgefüllt. Je nach Hefe reift das Bier bis zu drei Jahre.Lambic ist ebenfalls eine geschützte Herkunftsbezeichnung.
Das klingt sehr kompliziert und langwierig. Wie hast du es geschafft, dein eigenes Weichselbier zu produzieren?
Als Ögreissler habe ich Kontakt zu einigen Obstbauern im Marchfeld. Außerdem dachte ich mir, dass es auch viele private Gärten gibt, in denen nicht alle Weichseln verwendet werden. Also brauchte ich nur noch eine Brauerei, die mir mein österreichisches „Kriek“ braut.
Zuerst fragte ich Raf Toté – meinen belgischen Freund, der als „Der Belgier“ in Wien belgisches Bier braut. Der hat gleich einmal abgelehnt. In seiner Brauerei verwendet er nur sorgsam im eigenen Labor gezüchtete belgische Hefe. Nur damit kann er den gleichbleibenden Geschmack seiner beliebten Biere garantieren. Die Hefe von offen vergorenem Bier würde in der kontrollierten Brauumgebung bald alles durcheinander bringen. Aber die Idee vom eigenen Kriek reizte den Belgier! Gemeinsam besuchten wir einen Spezialist für offen vergorenes Bier: Alfried Borkenstein, bekannt als Alefried ist österreichische Gault Millau Braumeister aus der Steiermark. Auf einem urigen Bauernhof hat er sich auf die Produktion von Wildbier spezialisiert. In seinem Fermentorium entstehen durch die Symbiose von lokaler Mikroflora, der handwerklichen Herstellung und der langen Reifung außergewöhnliche, geschmacksintensive Biere. In Alefrieds Fermentorium kommen weder Strom noch mechanische Hilfsmittel zum Einsatz. Hier wird hauptsächlich mit der Schwerkraft und ohne Temperaturkontrolle gearbeitet. Perfekt für die Produktion von Kriek!
Nachdem wir uns rasch einig waren, fehlten nur noch die Weichseln!
Wie viele Weichseln habt ihr gebraucht? Wie seid ihr dazu gekommmen?
Wir haben uns vorgenommen, 500 l besonders fruchtiges Weichselbier zu brauen. Dafür brauchten wir 300 kg Weichseln. Als Ögreissler habe ich im Marchfeld mittlerweile eine große Reichweite und auch einige Obstbauern unter meinen Produzenten. Zuerst haben wir eine Mitmach-Aktion gestartet: 1 kg Weichseln haben wir gegen 1 Flasche Weichselbier und etwas Geduld „getauscht“.
Ungefähr 10 % der Weichseln haben wir aus privaten Gärten bekommen. Der Großteil kam von den Obstbauern der Region: Bachfeldhof, Obstbrennerei Katzler und Prenner Beeren. Den größten Beitrag und damit die tatsächliche Umsetzung ermöglicht hat dann Jö’s Frucht.
Hast du selbst auch Weichseln geerntet?
Insgesamt waren das wohl 30 kg. Am 1. Ferienwochenende haben auch die Kinder mitgeholfen. Das war ein guter Einstieg in die Ferien und hat richtig Spaß gemacht. Die Herausforderung ist der perfekte Erntezeitpunkt. Die Weichseln müssen richtig reif, aber nicht faulig sein.
Was war euer größter Rückschlag?
Die lange Reifezeit. Wir hatten gehofft, dass unser Wildes Weichselbier schon im Frühling fertig ist. Aber da war noch zu viel Zucker im Bier. Unser Bier sollte perfekt werden – ohne Kompromisse. Außerdem kann bei einem zu hohen Zuckergehalt die Flasche explodieren. Im September – also eigentlich ein halbes Jahr später als erhofft – war unser Wildes Weichselbier genauso, wie es schmecken sollte.
Was war euer größter Erfolg?
Gleich bei der Präsentation beim Höfefest in Groß-Enzersdorf haben wir Feedback vom Bierpapst zu unserem Bier bekommen: „Ein richtig wettbewerbsfähiges Bier.“ Das hat uns schon ein bisschen stolz gemacht. Aber als die „Wilde Weichsel“ bei der Austrian Beer Challenge 2022 in der Kategorien Brauereien bei den Fruchtbieren auf Platz 2 landeten, war die Freude richtig groß.
Was war euer emotionalstes Erlebnis?
Die größte Herausforderung war eigentlich das Etikettieren. Die Maschine hat nicht richtig funktioniert und das Befüllen der Boxen war mühsam. Aber als unser „Kriek“ endlich fertig war und ich das erste Glas so richtig genießen konnte – das war schon ein echt cooles Gefühl! Und natürlich ein sensationelles Geschmackserlebnis.
Wie würdest du den Geschmack der Wilden Weichsel beschreiben?
Das kommt darauf an, wie man es trinkt. Wenn es 3 – 6° C kalt ist (aus dem Kühlschrank oder Weinkeller) schmeckt es wie Weichsel-Frizzante. Je wärmer es wird, umso mehr entwickelt sich der Geschmack. Bei Zimmertemperatur bekommt das „Kriek“ mehr Schaum. Zuerst dominiert die Weichsel, dann folgt der typische Sauerbier-Geschmack. Im Abgang ist es eher holzig und sehr trocken. Allerdings verändert sich der Geschmack mit den Jahren. Das Bier wird holziger, nicht mehr sauer und milder.
Aber das schöne an der Wilden Weichsel ist die Geschmacksentwicklung. Ich beginne mit dem kalten Frizzante-Geschmack und trinke den letzten Schluck bei Zimmertemperatur.
Normalerweise hat Bier ein relativ kurzes Ablaufdatum. Ist das beim Sauerbier nicht so?
Nachdem das Sauerbier in der Flasche weiterreift, ist es länger haltbar. Die Wilde Weichsel hält bis 2028. Kriek-Kenner lagern die Biere im kühlen Keller und genießen es wie edle Weine.
Reicht man Kriek-Bier zum Essen?
Als Frizzante würde es wahrscheinlich gut zu Desserts passen. Für mich ist es allerdings ein Genussbier, das ich gerne nach einem langen Arbeitstag oder mit Freunden beim Spielen oder Fernsehen genieße.
Lohnt es sich, sein eigenes Bier zu brauen?
Reich wird man nicht damit, es ist schönes Hobby und Geschenk. Der Fun-Faktor überwiegt auf jeden Fall.
Welchen Tipp würdest du Hobby-BrauerInnen geben?
Je mehr standardisiert ist, umso einfacher. Ansonsten braucht es starke Nerven und viel Geduld. Wichtig ist, sich genau zu notieren, wie man das Bier gebraut hat. Nur dann kann man ein gutes Bier noch einmal brauen.
Wird es eine neue Wilde Weichsel geben?
Nachdem unser österreichisch-steirisches „Kriek“ so gut angekommen ist, werden wir das auf jeden Fall andenken. Aber erst einmal komme ich mit meinen Vorräten noch ein bisschen aus.