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Warum der Mensch noch nicht fit für den Mars ist

Es war nicht das erste Projekt dieser Art: Acht Monate verbrachten Forscher in einer Art "Kugelmugel-Haus" – am Samstag durften sie es verlassen (siehe unten). Ungeachtet solcher Projekte sind viele Experten skeptisch, ob ein bemannter Marsflug in absehbarer Zeit überhaupt realistisch ist. "Derzeit sind wir dafür noch nicht bereit – zahlreiche Fragen zu den Gesundheitsrisiken sind bis heute nicht gelöst", sagte der renommierte russische Kardiologe Oleg Jurjewitsch Atkov dieser Tage bei einem viel beachteten Vortrag im Rahmen eines Symposiums der "Young Scientist Association" der MedUni Wien. 1984 war er 273 Tage als Kosmonaut und Forscher auf der russischen Raumstation Saljut 7.

Eines der größten dieser ungelöste Probleme ist die Strahlung: "Auf der Erde gibt es den schützenden Effekt der elektromagnetischen Felder – nicht aber auf dem Flug zum Mars." Das Fehlen eines Magnetfeldes könnte auch "für eine psychische Instabilität sorgen" – unabhängig von den sonstigen Herausforderungen für die Psyche. Das Wissen darüber sei noch gering.

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"Nicht absehbar"

Auch die Auswirkungen der fehlenden Schwerkraft seien nicht absehbar: "Wir wissen, dass nach acht Monaten (so lange soll ein Marsflug dauern, Anm.) die Muskelmasse in bestimmten Körperpartien – z. B. in den Beinen oder im Rücken – um 20 bis 25 Prozent geschrumpft ist."

Als er von seiner Saljut-Mission auf die Erde zurückgekommen ist, "war ich sehr müde. Alles war schwer – der Kopf, die Zunge, die Lippen, einfach alles." Erst zwei Monate später sei er in seine Klinik zurückgekehrt. "Diese Zeit braucht man, um sich zu regenerieren, seine körperliche und physische Leistungsfähigkeit wiederherzustellen." Doch bei einem Marsflug sei das nicht möglich:"Da erwartet Sie nach der Landung niemand, der sich um Sie kümmert. Sie sollten sofort aktiv sein und arbeiten." Bevor man Menschen zum Mars schicken könne "benötigen wir Technologien gegen die Strahlung sowie ein künstlich erzeugtes elektromagnetisches Feld und künstliche Schwerkraft".

Für ein Land alleine sei das nicht zu bewältigen: "Meine persönliche Überzeugung ist: Es müssten alle großen Weltraumnationen zusammenarbeiten – Russland, USA, Europa, China, Japan und Indien. Und wenn man heute mit so einem Projekt beginnen würde – dann dauert es mindestens noch 15 bis 20 Jahre, bis es verwirklicht werden kann."

"Wozu?"

Doch zuvor müsste noch die Antwort auf eine Frage gefunden werden: "Wozu? Weshalb soll die Menschheit Geld für extrem teure Marstickets – hin und retour – ausgeben? Viele Fragen können mit unbemannten Missionen genauso beantwortet werden." Eine sinnvollere Herausforderung für die Menschheit im Weltall sei eine Mondbasis: "Wir haben durch Sonden Hinweise auf Eis in den Polarregionen des Mondes. Hier mehr über die Ursprünge dieses Eises zu erfahren wäre für die Erforschung unseres Universums von großer Bedeutung."

An die MedUni Wien eingeladen wurde Atkov vom "Young Scientist" Martin Zalaudek. Der Mediziner arbeitet am "Exzellenzzentrum für Hochfeld-Magnetresonanz" der MedUni Wien. Mit einem 7 Tesla MR Tomographen (in der Klinik üblich sind 1,5 oder 3) – das ist 140.000-mal mehr als das Erdmagnetfeld in Österreich – können dort etwa komplexe Prozesse im Gehirn oder in den Gelenken hochaufgelöst dargestellt werden. Für Atkov, der in einer selbst gebauten Kammer die Auswirkungen einer Umgebung ohne Magnetfeld auf den Körper erforscht, ist das ein "neuer Horizont – nicht nur für die experimentelle Medizin, sondern auch für die klinische Medizin im Alltag".

Lavafelder und Kraterlandschaft: Die Insel Hawaii und den Planeten Mars trennen zirka 225.300.000 Kilometer, dennoch sind sie einander ähnlicher als vermutet. Und genau das nutzen Wissenschaftler der NASA, um auf der Insel das Leben auf dem Mars zu simulieren, zum Beispiel am Fuße des Mouna Loa.

Vor einigen Tagen taumelten dort, in 2.400 Meter Höhe, sechs junge Forscher aus einer weißen Kuppel. Auf zwei Stockwerken, die einen Durchmesser von zwölf Meter haben, lebten sie acht Monate zusammen, ernährten sich von gefriergetrocknetem Essen, durften die Kuppel nur im Raumanzug verlassen und füllten psychologische Tests aus. Auch ihre Herztöne, Speichel und Urin wurden untersucht. Einige, wie die Informatikerin Jocelyn Dunn, schrieben Blogs aus dem Mars-Camp: „Man merkt nicht, wie die Uhr tickt, während die Zeit abläuft.“ Andere Teilnehmer berichten von Monotonie, Einsamkeit und Sehnsucht nach Freunden und Familien.

520 Tage eingeschlossen

Seit Jahren versuchen Wissenschaftler mögliche körperliche und psychische Herausforderungen zu erforschen, die bei einer Mars-Mission auftreten können. Von 2010 bis 2011 simulierten die russische Raumfahrtagentur Roskosmos und die europäische ESA einen Flug zum Mars. Sechs Freiwillige wurden 520 Tage lang in einem Raumschiff eingeschlossen. Die Forscher wollten unter anderem wissen, wie sich die Dynamik innerhalb der Gruppe entwickelt, aber auch welche medizinische Versorgung nötig ist. Nach 17 Monaten reagierten die Tester apathisch und lethargisch. Sie bewegten sich wenig, verbrachten mehr Zeit mit Ausruhen und Schlafen. Conclusio der „Mars500“-Simulation: passives Verhalten kann bei einem Flug den durch Schwerelosigkeit bedingten Kochen- und Muskelabbau sowie Veränderungen im Herz-Kreislauf-System verstärken. Allerdings konnten die Auswirkungen von Strahlung und Schwerelosigkeit nicht simuliert werden.
2013 landeten österreichische Wissenschaftler auf dem „Mars“, oder besser gesagt in Marokko. Das Team des Österreichischen Weltraumforums war in die nördliche Sahara gereist, um Geräte und Arbeitsabläufe zu testen, die für eine Mission notwendig sind.
Weltraumforscher Wolfgang Baumjohann kritisierte damals, dass dieses Vorhaben wissenschaftlich irrelevant sei. Wirkliche Probleme, wie der lange Flug oder schlechtes Weltraumwetter, könne man so nicht erforschen. Genauso wie Fragen bezüglich des Materials auf dem Mars und wie es sich von irdischen Verunreinigungen unterscheidet – alles Dinge, die vor Ort untersucht werden sollten, doch dazu müssen die Wissenschaftler erst einmal hinkommen.