Leben/Gesellschaft

Wie man aus seinen Trauben eigenen Wein machen kann

Die Erntezeit macht Menschen kreativ, von Trocknen bis Einkochen. Für Terrassengartler liegt die Latte wegen geringer Erntemengen höher: Aus siebeneinhalb Himbeeren macht man nicht einfach ordinäre Marmelade. Und die paar Trauben, die ein Topf-Weinstock im Schnitt trägt, verputzt man nicht einfach beim Fernsehen.

Also mache ich Wein. Nur mit Hilfe von Schüssel, Sieb, Erdäpfelstampfer, Plastikflasche, Frischhaltefolie und einem Stück Schlauch. Winzer und Weinkenner müssen an dieser Stelle gewarnt sein, die folgende Handlungsanleitung kann ihre Gefühle verletzen. Wer mit so simplen Mitteln seine Eigentrauben zu Wein macht, muss Wein als dehnbaren Begriff verstehen.

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Das beginnt bei der Traube. Wer sich einen Weinstock im Topf hält, muss auf Größe (wurzelt tief), Substrat (nicht zu dicht und nass, nicht zu trocken) und auf Standort achten. Wein wächst als Kübelpflanze gut, für üppige Frucht (die ohne zu schimmeln reift), braucht man aber eine zwänglerische Liebe. Also nimmt man die Sorte, die viel verzeiht. Das tun edle Burgunderbeeren eher nicht.

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Meine einfachen, dafür chemisch unbehandelten Tafeltrauben durften bis zur Verschrumpelung hängen, so sammelt sich reichlich Zucker an. Der macht aus dem Stock zwar eine Art Wespenfalle ohne Funktion und die Lese zum kriegerischen Akt, aber man braucht ihn für die Vergärung. Dabei wird Zucker zu Alkohol umgebaut, sieht man gut am Sturm: vorher Traubensaft, dann ein brodelndes Hybrid, am Ende Staubiger, fast Wein. Vergärung startet durch Hefe und nein, Backhefe (Germ) ist nicht geeignet.

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Als Gartler hat man eher keine Reinzuchthefe daheim, mache ich halt Bio-Wein: Ich lasse die Trauben nach Pflücken und Ausdrücken mit dem Stampfer ein paar Stunden in der Maische (für die im Text verblieben Winzer: auf der Maische) liegen, ein Saft-Traubenhaut-Gatsch. Auf der Schale leben nämlich auch Hefearten und mit Glück setzen die den Prozess in Gang, diese Spontangärung gilt als besonders elegant.

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Deckt man diesen Gatsch anliegend mit Frischhaltefolie ab, erkennt man gut, wann es ordentlich gärt. Die freiwerdenden Gärgase (die im Weinkeller so gefährlich sind) heben die Folie. Außerdem sollten Kohlensäure-Kugerln sichtbar sein. Nach ein paar Stunden muss der Saft von der Maische (sonst wird er zu trüb und bitter), durch ein Sieb füllt man ihn in einen Gärbehälter, in Balkonmenge gesprochen (1,5 Liter): eine leere Mineral-Plastikflasche.

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Nach dem Gärende zieht man den deutlich klareren Wein ab – vorsichtig, denn unten schlummert der feine, abgesunkene und sehr nervöse Schlick (mit Schlauch, zur Not kann man durch ein Tuch filtern). Und füllt ihn zum Reifen ab. Winzer würden rufen: Alkoholgehalt messen! Das Weinschönen! Filtrieren! Aber erstens haben die hier schon aufgegeben. Und zweitens hält mein 2015-Terrassenwein bis heute. Er schmeckt scheußlich. Aber er ist da.

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Knifflig ist der Verschluss, es darf zwar kein Sauerstoff hinein, aber das Kohlendioxid muss rauskönnen. Ich löse das mit gewundenem Schlauch, in dem zur Hälfte Wasser steht. Dann stellt man das für vier Wochen bei konstanter Temperatur (18-25 Grad) an einen ruhigen, dunklen Ort.