Riesen-Tablet Sony Tap 20 im Test
Von Gregor Gruber
Was ist besser als ein All-in-One-PC - abgesehen von einem Ultrabook mit Touchscreen oder einem leistungsstarken Desktop-System? Sonys Antwort: Ein All-in-One-PC mit Touchscreen und Akku. Die interne Stromversorgung macht aus dem Standrechner ein 20-Zoll-Tablet. Dass es dieses Gerät überhaupt gibt, ist Microsoft zu verdanken. Mit der für berührungsempfindliche Bildschirme optimierten Kachel-Oberfläche werden in nächste Zeit mehrere Geräte auf den Markt kommen, die mit Touchscreens ausgestattet sind.
Die futurezone hat die schnellere der beiden Ausführungen des Tap 20 (Intel Core i5) getestet, die einen empfohlenen Verkaufspreis von 1199 Euro hat. Die Version mit dem langsameren i3-Prozessor ist um 999 Euro erhältlich.
Versteckte Tasten
Auf den ersten Blick sieht das All-in-One-Gerät durchaus ansprechend aus. Der weiße Rand des Gehäuses lässt den PC freundlich erscheinen. Die Windows-Taste an der Front ist dezent untergebracht, die anderen Hardware-Tasten befinden sich versteckt an der Oberseite.
Mit etwas Übung kann man die Standby-, Lautstärken-, und Display-Sperrtaste erfühlen, anfangs wird man aber den PC öfters zu sich kippen, um die Tasten an der Oberseite auch sehen zu können. Dasselbe gilt für die versteckten Anschlüsse an der linken Seite.
Ebenfalls ungewohnt für einen Rechner, der als Desktop-Ersatz dienen soll, sind die wenigen Anschlüsse. Es gibt zwei USB-3.0-Anschüsse, einen SD-Kartenleser, einen Ethernet-Anschluss und Stecker für Kopfhörer und Mikrofon. Das ist etwas mager. Immerhin sind noch WLAN, Bluetooth und NFC vorhanden, ebenso wie eine 720p-Frontkamera, die lichtschwach ist, und ein Mikrofon. Eine Bluetooth-Tastatur und Maus mit Scrollrad sind im Lieferumfang enthalten. Beide machen keinen hochwertigen Eindruck, erfüllen aber ihren Zweck.
Theoretisch ist alles problemlos möglich, praktisch scheitert es an der Software und den Apps. Es sind nur zwei Apps vorinstalliert: Mit Family Paint gibt es ein Malprogramm und mit Fingertapps Organizer ein wenig intuitives, digitales Notizbrett mit Kalender-Funktion. Family Paint hat zwar eine Kachel in der W8-Oberfläche, startet aber von der Desktop-Ansicht. Fingertapps Organizer ist eine „echte" W8-App, aber durch seine unlogische Bedienung mehr nervig als nützlich.
Auf vorinstallierte Familienspiele verzichtet Sony. Hier wäre etwa eine Brettspielsammlung mit Mensch ärgere dich nicht, Schach, Mühle, Halma und ähnlichem angebracht gewesen. Stattdessen gibt es Bloatware, wie das Intel AppUp Center und WildTangent. Besonders lästig ist das vorinstallierte McAfee Security Center und Parental Controls. Trotz Deinstallation im Programme-Menü der Systemeinstellungen blieben vier Dienste aktiv, die nahezu alle Internet-Verbindungen blockierten und erst durch das manuelle Löschen von Dateien und Einträgen in der Registry entfernt werden konnten.
Abgesehen von der geringen Akkukapazität ist der Einsatz des Tap 20 als Tablet, aufgrund der Größe und des Gewichts, natürlich mehr theoretisch als praktisch sinnvoll. Dazu kommt noch das stark spiegelnde Display, das einen Außeneinsatz erschwert. Lustig ist es dennoch, die ungläubigen Blicke der Passanten zu sehen, wenn man auf der Parkbank mit dem Tap 20 auf dem Schoß im Web surft (der mobile Hotspot des Smartphones macht es möglich) oder die Bluetooth-Maus und Tastatur auspackt und Diablo 3 spielt.
Als Zeitvertreib für die Kinder während dem Autofahrten ist der Tap 20 auch nicht unbedingt geeignet. Das Kind wird sich nicht über 5,2 Kilogramm am Schoß freuen und im Falle einer Vollbremsung möchte man ein Gerät mit diesem Gewicht auch nicht im Innenraum des Fahrzeugs herumfliegen haben. Immerhin ist das Netzteil angenehm klein, wodurch der Tap 20 als Mitnehm-PC für das Wochenend-Domizil oder andere, mit dem Auto erreichbare Orte mit Stromversorgung geeignet ist.
Ein Manko ist das insofern, da das Gerät ja portabel und auch für die Verwendung durch Kinder konzipiert ist – von denen einige nicht gerade für ihren sanften Umgang mit technischen Geräten bekannt sind.
Standhaft
An der Rückseite gibt das Kunststoff-Gehäuse nach. Die Abdeckung in der Mitte, die den Zugriff zum wechselbaren Akku erlaubt (die anderen Komponenten sind mit Zusatzklappen und Schrauben gesichert), wird nur durch Stifte in Gummidichtungen gehalten. Dadurch entstehen sichtbare Spalten, wenn die Abdeckung angebracht ist.
Durchaus gelungen ist der integrierte Ständer. Man muss schon sehr fest auf den Touchscreen tippen, damit sich der Winkel verstellt. Ein komplettes Umkippen ist fast unmöglich. Kleiner Nachteil: Das Display kann nicht 90 Grad zur Auflage stehen. Würde man den Tap 20 also etwa in Augenhöhe aufstellen, müsste man dem Standfuß mit einer Zusatzauflage nachhelfen, damit man wirklich frontal auf das Display blicken kann. Auch das Aufstellen in der Vertikalen unterstützt der Ständer nicht.
Flach machen
Klappt man den Ständer komplett ein, lässt sich der Tap 20 flach auf dem Tisch platzieren. So wird es entweder zum Mini-Surface-Tisch (gemeint ist der Touchscreen-Tisch von Microsoft/Samsung) oder zum Maxi-Tablet. Durch die Gummierung am Standfuß und das hohe Gewicht des Tap 20 liegt das Gerät relativ rutschfest am Tisch oder Boden. Zwar lässt es sich noch bewegen aber ein unabsichtliches Schubsen vom Couchtisch ist in der flachen Platzierung kaum möglich.
Um das Tap 20 leichter tragen zu können, gibt es Vertiefungen an der linken und rechten Gehäuseseite, die gleichzeitig als Mulden für die Anschlüsse dienen. Mit 5,2 Kilogramm ist das Tap 20 nur bedingt transportabel, als Tragehenkel sollte man den Ständer nicht zweckentfremden.
Ein weiteres Problem ist, dass das Display relativ weit hinter dem Glas mit den Touchscreen-Sensoren sitzt. Dadurch fällt das stark spiegelnde Glas besonders negativ auf. In Innenräumen ohne direkte Sonneneinstrahlung reicht die maximale Helligkeit aus, um das einigermaßen zu überspielen. Jedoch ist schon eine Kunstlichtquelle nach Sonnenuntergang genug, damit man sich noch immer recht deutlich im Display spiegelt. Neben der starken Spiegelung kommen noch Fingertapser- und wischer hinzu, die ebenfalls deutlich am Glas zu sehen sind.
Farbstärke und Kontrast des Displays sind mittelmäßig. Ist man hauptsächlich auf der Kacheloberfläche und in den Windows-Apps unterwegs, ist das aber eher nebensächlich. Die Präzision des Touchscreens ist gut, auch die versprochene Erkennung von zehn Fingern hält der Tap 20. Im Test ist häufig ein Problem aufgetreten, bei dem der Touchscreen erst nach vier bis fünf Sekunden reagiert, nachdem der Tap 20 per Standby-Taste aus dem Ruhemodus aufgeweckt wird.
Sound
Der Sound kommt aus integrierten Stereo-Lautsprechern an der Rückseite, die so platziert sind, dass man auch im flachen Modus ausreichend hört. Der Klang ist eher schal, klare Höhen und Tiefen fehlen. Dafür ist der Tap 20 aber ausreichend laut. Ab der Lautstärke 80 von 100 nimmt die Klangqualität aber deutlich ab.
Eventuell ist das Gerät noch für Bastler interessant, die den Tap 20 etwa in einem Tisch, der Wand oder im Auto fix verbauen wollen. In diesen Fällen kann man zu anderen All-In-Ones greifen, die auf den Akku verzichten aber dafür besser ausgestattet sind.