Leben/Gesellschaft

Retro radeln

Die Wiener Firma Faber ist ja mehr bekannt für ihren Vertrieb von italienischen Motorrollern. Doch jetzt bietet man auch sogenannte Retro-Fahrräder zum Kauf an: Das Waffenrad von PUCH darf damit ein Comeback feiern. Ältere Semester werden sich an dieser Stelle an ihre Kindheit erinnern; und an ihren alten Gaul aus Graz; und an Verwandte und Bekannte, die im Keller oder in der Garage so ein Rad stehen hatten.

Der allgemeine Retro-Trend hat dazu geführt, dass "das alte PUCH" (mit moderner Technik und ein wenig Facelifting) wieder auf den Straßen und Radwegen auftaucht. Das Waffenrad ist in guter Gesellschaft: Auch renommierte deutsche und holländische Fahrradmanufakturen wollen mit historischen Modellen punkten. Das ist gut, aber nicht billig. Was zumindest den Nostalgikern egal ist. Sie, die den Trend losgetreten haben, stöbern ihre Hipster-Räder weiterhin nicht im Shop auf.

Bäckerrad - Wie anno dazumal die Bäckerlehrlinge

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Uwe Mauch über einen Klassiker aus Deutschland. In den Korb vorne passt eine große Einkaufstasche, und auf der Gepäckträgerfläche hinten hat sogar eine Bierkiste Platz. Früher wurden mit so einem Rad in der Früh Zeitungen geliefert, und frische Semmeln. Von jungen Männern, die bedeutend mehr Kraft in den Beinen hatten als Zeitungsleute heute.

The Bäckerrad ist bäck! Die Nürnberger Fahrradfabrik Hercules, eine der ältesten in Deutschland, bietet eine alltagstaugliche Retro-Version an. An sich erinnert der Firmenname an einen Helden der griechischen Mythologie; er soll Widerstandsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Hercules-Räder symbolisieren. Bei Ostwind auf dem Donauradweg will man ihn jedoch verfluchen. Nur ein Herkules kann so ein Trumm flott vorwärts bringen!

Die drei Gänge lassen sich reibungslos verändern. Doch sie helfen einem kaum gegen den Wind oder rauf auf den Bisamberg. Dafür wurde dieses Rad nicht gebaut. Viel mehr soll es als Lastentransporter auf kurzen Distanzen dienen (etwa auf dem Weg zum Markt oder Supermarkt). Da ist es mehr als perfekt: Ein Wochenendeinkauf für eine mehrköpfige Familie ist für Bäckerradfahrer kein Problem.

Der tiefe Durchstieg des Unisex-Rads und der Mopedständer sind für das Transportieren ein echter Gewinn. Das Hercules-Bäckerrad in der Testversion gibt es bei der Cooperative Fahrrad in Wien um 699 Euro.

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Ute Brühl über einen Klassiker aus Holland. Ich will meinen Rücken beim Fahrradfahren nicht krümmen. Viel lieber sitze ich aufrecht auf dem Sattel. Als ich also vor einem Jahr auf der Suche nach einem Ersatz für mein gestohlenes Rad war, war dem Verkäufer ziemlich schnell klar, womit er mich glücklich machen kann: mit einem Hollandrad. In dieses nostalgische Fahrzeug verliebte ich mich bei einer Probefahrt sofort.

Heute throne ich regelrecht auf diesem robusten Gefährt. Neonfarbene Plastik-Radlerkleidung muss ich dafür nicht eigens anziehen: Der Vollkettenschutz garantiert, Röcke oder weite Hosen können sich nicht in den Kettengliedern verfangen. Das gefällt mir. Allerdings nur, solange ich alleine oder mit anderen Hollandradlern unterwegs bin. Denn bereits beim ersten Ausflug mit Freunden stellte ich fest, dass die fehlende Aerodynamik ihren Preis hat. Ich muss kräftig in die Pedale treten, um mit den anderen mithalten zu können. Und der riesige Wendekreis macht mich und das Rad schwerfällig.

Trotzdem will ich auf meinen Klassiker aus der holländischen Union-Fabrik nicht verzichten. Majestätisch durch die Landschaft zu radeln ist für mich die reinste Entspannung. Das schwarze-matte Modell Brooklyn kostet 499 Euro, gesehen bei Bike & more in Wien 22. Schöne Hollandräder gibt es auch beim Stadtradler Mikko Stout in der Karlsgasse in Wien 4. Der ist ganz nebenbei auch Holländer.

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Philipp Albrechtsberger über einen Klassiker aus Österreich. Es dauerte nicht lange und ich wurde Hipster genannt bzw. geschimpft. So genau lässt sich das nicht unterscheiden. Hipster werden jene Menschen genannt, die Trends aus dem 20. Jahrhundert in die Moderne transportieren – sprich: Enge Röhrenjeans, kratzige Strickjacken, dicke Hornbrillen tragen, den Bauernmarkt dem Supermarkt vorziehen oder eben auch auf alten Fahrrädern durch die Gegend rollen.

Ich radle also auf der Retro-Welle. Ein grundlegender Irrtum. Retro bedeutet rückwärts, doch mit dem PUCH Waffenrad geht es erstaunlich flott vorwärts. Es handelt sich nämlich nicht um ein Erbstück aus Opas Keller, sondern um ein nigelnagelneues Gefährt. Das Waffenrad 2014 ist ein Kompromiss. Es verbindet alte Elemente des beliebten wie simplen Volksrads mit zeitgemäßer Technik. So bremst man sich zur roten Ampel mit einer Kombination aus Trommelbremse (könnte bissiger sein) und Rücktritt (komfortabel). Den Weg durch die Nacht bahnt man sich im alten Dynamo-Design, aber mit moderner LED-Technik. Das leuchtet gut aus – und ein.

Im Gegensatz zu seinen Vorfahren ist das Modell 2014 mit einer Gangschaltung ausgestattet. Die Tour de France lässt sich mit den drei Gängen freilich nicht gewinnen, auch der Kahlenberg sollte umfahren werden, für die eine oder andere städtische Steigung reicht es aber allemal. Überhaupt ist das Waffenrad eher zum entspannten Gleiten, denn zum nervösen Flitzen geeignet. Der Sitz ist weich, die Haltung aufrecht, der Stahlrahmen robust. Der Lenker ist wie beim Original angestellt, aber nicht mehr so steil wie einst, weshalb sich nun auch enge Kurven kratzen lassen.

Zu haben ist der Retro-Charme um 599 Euro, die etwas weniger originalgetreue Version mit Alurahmen, Felgenbremse und sieben Gängen kostet 649 Euro (www.puch-bike.at). Gratis dazu gibt’s so manchen neidischen Blick. Auch oder speziell von Hipstern.