Togo und Benin: Auf den Spuren des Voodoo-Zaubers in Westafrika
Von Stefan Hofer
Das Schicksal würfelt nicht. Kakpo Atanasan schon. Elegant wie ein Croupier lässt der Fetischeur mit einer Handbewegung ein paar weiße, würfelähnliche Steinchen über den unebenen Boden purzeln – und schaut ernst drein. Stimmt etwas nicht mit dem Schicksal? Die irrwitzige Szene spielt sich in einer engen Hütte aus Lehm und Wellblech auf dem Fetischmarkt in Akodésséwa, einem Vorort der togolesischen Hauptstadt Lomé, ab. Es ist der weltgrößte Voodoo-Markt. Vor Ort stellt sich die Frage: Kann man das Brimborium als Europäer verstehen?
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Im Freien ist es sengend heiß, die 50er-Sonnencreme verzweifelt auf der hellen Haut. Linker- und rechter Hand des staubigen Platzes preisen blutjunge Männer Affenköpfe, Krokodilschädel, Felle, Tiergebisse und -häute an – alle diese Utensilien und Fetische fein säuberlich auf Holzbrettern geschlichtet und drapiert. Das Wiener Marktamt würde hier verzweifeln. Auch Voodoo-Püppchen in Ausformungen von lieb bis schaurig werden feilgeboten.
Bilder: Auf dem Fetischmarkt
Ein Bursche klärt in recht gutem Englisch auf, dass ein Schadenzauber mit Nadeln heutzutage natürlich nicht praktiziert werde, es gehe um Heilung. Man gustiert, versucht, dabei cool wie Indiana Jones dreinzuschauen und sich von den Fliegen nicht allzu sehr aus der Ruhe bringen zu lassen. Aber nein: Irgendwie ist das alles keine Dekoware für glattgebügelte europäische Wohnzimmer.
Doch zurück zu Kakpos Hütte, die an einem Ende des Platzes, hinter der übermenschlichen Statue mit Bastrock und mehreren erigierten Penissen zu finden ist (an so einem Ort erhoffen sich Ratsuchende ja Zauber für vielerlei Dinge). Drinnen ist es stickig. Der Fetischeur, in ein schwarz-weiß-violettes Tuch gehüllt, nimmt die Würfel erneut zur Hand. Das Herz schlägt schnell, auch wenn man (natürlich!) nicht an die Kräfte glaubt, die Voodoo-Priestern in Westafrika zugesprochen werden.
Der anwesende Übersetzer gibt Entwarnung: Es gehe jetzt beim Würfeln nicht um die eigene Zukunft, lediglich um den Preis des Fetischs, den man gerade zuvor – sicherheitshalber – erstanden hat. Also nur Voodoo-Kapitalismus. Aber Feilschen traut man sich dann auch nicht. Ein paar CFA-Franc wechseln den Besitzer, Kakpo lächelt gütig. Erleichtertes Aufatmen beim Verabschieden. Der Fetisch baumelt fortan auf der Reise durch Westafrika um den Hals.
Trancetänzerinnen und Tänzer
Der nächste Halt auf der einwöchigen Suche nach dem Voodoo-Flair ist das Dorf Sanguera, zwanzig Kilometer nordwestlich der Küstenstadt Lomé gelegen. Das Reisen vor Ort, in dem Fall mit dem Bus, kann man sich so vorstellen: Auf den teils frisch asphaltierten Hauptverkehrswegen geht es zügig dahin, abseits davon sind es oft rumpelige, rote Erdstraßen – so auch das letzte Stück nach Sanguera.
Voodoo leitet sich aus einem Wort der westafrikanischen Fon für Geist ab. Wohl deshalb schüttet der weiß gekleidete Priester im Dorf bei der Begrüßung der Fremden aus Europa eine weiße Mixtur aus Maismehl, Wasser und Schnaps auf den Erdboden und murmelt dabei rituelle Formeln. Dann wird man zum Dorfplatz gebeten, um den wilden Tänzen beizuwohnen. Männer und Frauen, in Gesicht und am Oberkörper weiß bemalt, wirbeln ihre Baströcke herum, Trommeln schlagen. Alles unter den Argusaugen der Dorfoberen, die im Schatten eines Hauses auf Stühlen sitzen.
Impressionen: Voodoo-Tanz in Sanguera
Und man muss sagen: Was dargeboten wird, zieht die jüngsten Dorfbewohner und die Handvoll Touristen, die auf Holzbänken sitzen, gleichermaßen in den Bann. Das ist kein aufgesetzter Folklore-Kitsch, das wirkt alles so authentisch, wie es im 21. Jahrhundert noch sein kann. Intensive Gesänge peitschen die Tänzer weiter an, die sich noch entfesselter drehen, gilt es doch den gefürchteten Kriegs- und Rachegott Kokou zu besänftigen. Dann bricht der erste Tänzer zusammen, wird dabei von anderen Dorfbewohnern gestützt. Er ist in Trance gefallen, flüstert der Guide. Priester und Zuschauer sind zufrieden. Die Zeremonie gehe noch stundenlang so weiter, erklärt der Guide beim Verlassen des Dorfes.
Anreise
Am besten mit Ethiopian Airlines, die mehrmals pro Woche die Strecke Wien–Addis Abeba–Lomé fliegt. ethiopianairlines.com
Westafrika-Rundreise mit Raiffeisen Reisen
Magisches Westafrika mit Raiffeisen Reisen, Termine ab Oktober, (1. Termin: 27.10.– 9.11.), weitere Termine auf raiffeisen-reisen.at
inkl. Flug ab 3.690 € p. P. im DZ mit HP, Eintritte und deutschsprachigen Guide. Die Gebühren für das Online-Visum Benin ist nicht inkl.
Buchungen in Raiffeisen- und Georeise-Büros: Tel. 0800/66 55 74, info@raiffeisen-reisen.at
Altes Königreich
Nach einer Audienz beim König von Togoville in seinem Wohnzimmer geht es über den grenznahen Monofluss ins Nachbarland Benin. Die Reise führt nach Norden ins Landesinnere, zu den Palästen von Abomey, der Hauptstadt des früheren Königreiches Dahomey – die Lehmbauten sind UNESCO-Weltkulturerbe.
Auf der Fahrt durch das Hinterland fällt der Unterschied zur dichter besiedelten und weiter entwickelten Küstenregion auf: In den Dörfern fehlt es an Infrastruktur – es gibt oft keine Elektrizität und keine Kanalisation.
Python um den Hals
Der Voodoo-Kult wird auch in Ouidah zelebriert, wo jedes Jahr im Jänner ein Voodoo-Festival stattfindet. Die Hafenstadt war früher zudem Zentrum des Sklavenhandels in der Region. Hier sorgt der Pythontempel für Gänsehaut. Eine junge Frau namens Angel skizziert professionell den okkulten Sinn hinter der Schlangenhaltung und bietet jedem an, sich eine Riesenschlange um den Hals legen zu lassen. An diesem Tag hat einem das Voodoo-Fieber endgültig gepackt, man lässt sich wie von Sinnen die Würgeschlange herumwickeln. Aber was soll schon passieren, mit dem Fetisch an der Brust.
Wissenswertes
Schöne Strände ... aber Badeurlaub steht in Westafrika nicht im Fokus. Lomé hat einen langen Stadtstrand (Bild: auf Höhe des Restaurants Robinson), allerdings trüben die Industriehäfen und auch Öltanker am Horizont das Bild. Auch nahe Ouidah gibt es beim Hôtel Diaspora Bénin einen kilometerlangen, sehr einsamen Sandstrand
Gazelle zum Mittagessen Die Urlauber-Faustregel „Cook it, peel it, or leave it“ gilt es auch in Westafrika zu beherzigen. Interessierte Reisende werden aber lokale Gerichte probieren. In Abomey wurde etwa Fleisch von der Gazelle und vom Aguti (Buschratte) serviert, dazu als Beilage Fufu – ein sättigender, klebriger Brei aus Maniok oder Yams
Info:
Der CFA-Franc ist die gemeinsame Währung mehrerer westafrikanischer Länder, 1 € sind ca. 650 CFA. Für die Einreise ist jeweils ein (Online-)Visum erforderlich. Eine Gelbfieber-Impfung ist vorgeschriebene Voraussetzung für die
Visaerstellung. Vorher mit dem Tropenarzt über eine Malaria-Prophylaxe sprechen!