Leben/Reise

Durch die Augen der Maori: Neuseeland neu entdecken

Kia Ora – das sind die Worte, mit denen Riwai Grace die Menschen begrüßt. Doch der Tourguide in Christchurch, der größten Stadt auf der Südinsel, tut noch mehr: Stirn an Stirn und Nase an Nase wird der Fremde urplötzlich zu einem Freund. „Der Hongi ist der traditionelle Gruß der Māori“, erklärt er. „Man reicht sich in der Regel auch die rechte Hand und fasst mit der linken den Unterarm des Gegenübers.“ So verbindet sich der Lebensatem der beiden Menschen – und der Begrüßte sei für die Māori nicht mehr Manuhiri – ein Besucher – sondern Tangata Whenua, ein Mensch des Landes.“ 

Aotearoa“ nennen die Māori, das indigene Volk Neuseelands, heute wieder ihre Inseln. Bis in die 1980er-Jahre war es ihnen nicht erlaubt, ihre eigene Sprache zu sprechen. Über Jahrhunderte unterdrückt und vertrieben, werden sie heute endlich akzeptiert und wertgeschätzt. Und so erlebt nicht nur die Māori-Sprache Te Reo Māori, sondern auch ihre Traditionen und ihre Wertschätzung der Natur eine Wiederbelebung.

Reisen mit Waka

Das Wasser spritzt auf, als die Paddel ins türkisblaue Wasser eintauchen. Ein Ruck geht durch das Boot, denn die gleichmäßige Zugkraft der neun Leute ist spürbar. Sie alle sind plötzlich eins mit den Wellen und der Natur.

Die Māori erreichten bereits vor rund achthundert Jahren auf ihren Waka, den Auslegerkanus, die neuseeländischen Inseln. Als einziges Transportmittel über Ozeane hinweg waren Waka für Reisen und Handel von entscheidender Bedeutung. Und sie sind auch heute noch Teil ihrer Kultur. Thomas Muetu nimmt mit auf eine solche Fahrt. Der 36-Jährige ist ein Ngāi Tahu, ein Māori der südlichen Insel Neuseelands.

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„Willkommen in Kaiteriteri“, begrüßt er am Strand des beliebten Urlaubsortes. Die Tasman-Bucht vor der Nase, spricht er den Segen zum Schutz der kurzen Tour: „Manaaki moana, manaaki tangata, haere whakamua – Sorge dich um unsere Meere, kümmere dich um die Menschen und gehe gemeinsam voran.“ Dann bläst er die große Muschelschale Pūmoana an – ihr Klang symbolisiert den Start der Fahrt in Richtung Norden.

Der riesige Felsbrocken Toka Ngāwhā ragt aus einer Insel heraus und ist in der Mitte gespalten. Die Wellen sind hier höher, und schon bald überzieht ein dünner Salzfilm Hände, Arme und Gesichter. Auf dem Weg zurück paddeln alle in einem stillen Rhythmus.

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Eins sein mit der Natur

Eintauchen in dieses Land bedeutet auch innehalten – und das ist nicht weit von Kaiteriteri möglich: Im Inneren der Südinsel nahe der Stadt Murchison haben Cristina Holopainen und ihr Mann Lasse in unberührter Natur eine Wohlfühloase geschaffen. Lasse nimmt mit auf einen Spaziergang durch den heimischen Wald am Maruia-Fluss. „Dieser Weg war früher eine Migrationsroute der Māori an die Westküste. Dort gibt es die harte Nephrit-Jade, die in ihrer Kultur eine wichtige Rolle spielt“, sagt er.

Anreise
Flüge etwa mit Qatar Airways, CO2-Kompensation (bis Christchurch): 442 €  via atmosfair.de

Übernachten
Blenheim: Chateau Marlborough
Murchison: Maruia River Retreat
Nelson: Pihopa Retreat,
Chirstchurch: The Mayfair Hotel
Kaikoura: Sudima Kaikoura
 

Dark-Sky-Initiative
kaikouradarksky.nz

Touren
Helikopter-Flüge zur Walbeobachtung in Kaikoura
Wale-WatchingTouren in Auckland
– Paddeltour mit dem Waka
Wine, Art and Wilderness Company

Coastal Pacific  
greatjourneysnz.com

Auskunft
newzealand.com

Die grünen Steine wurden zur Herstellung von Werkzeugen oder Schmuck genutzt. Die Kettenanhänger, auch Hei-Tiki genannt, hätten noch immer eine besondere Bedeutung und würden als Erbstücke weitergegeben. Im Anschluss an den Spaziergang gibt es Abkühlung im glasklaren Maruia-Fluss, bevor im heißen Pool beim Waldbad relaxt wird. Nur der melodische Vogelgesang des Glockenhonigfressers ist zu hören – und das leise Rascheln der Blätter im Wind.

Coastal-Pacific-Route: der Küste entlang

Am nächsten Morgen gibt Cristina eine entspannende Yoga-Stunde. „Ihr merkt sicher, dass Maruia ein unglaublicher Ort für den menschlichen Geist ist“, sagt sie im Anschluss. „Hier fällt es leicht, sich wieder mit der Natur zu verbinden und eine Einheit zu werden.“

Zane Kennedy von der Company Wine, Art and Wilderness nimmt einen in Richtung Ostküste mit, eine Fahrt durch üppige Weinfelder der Marlborough-Region bis ins Städtchen Blenheim. Dort steht schon der Zug: In einem gemütlichen Speisewagen bei einem Glas Sekt und Häppchen auf der Coastal-Pacific-Route wird man sanft durchgeruckelt, immer begleitet von den Wellen des blauen Pazifiks auf der linken Seite. Nach rund zwei Stunden ist Kaikoura erreicht.

Vom Walfang zum Schutz

Die Rotoren des Helikopters werden schneller und die Häuser des Städtchens Kaikoura kleiner, als Pilot Daniel Stevenson zur Walexpedition abhebt. Schon bald tauchen unzählige Punkte im Wasser auf. „Schaut mal, Delfine!“, ruft Daniel. Wenig später ist auch ein Buckelwal aus der Luft gut zu sehen.

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Der Helikopter fliegt über einen Hügel, der dem Schutz seltener Vögel dient: „Die Hutton-Sturmtaucher sind hier endemisch und es gibt nur noch geschätzt hunderttausend Brutpaare“, erklärt die zuständige Tourismus-Managerin Lisa Bond. Die Jungvögel unternehmen ihren Jungfernflug ins Meer in den Nachtstunden.

Um die Vögel vor Lichteinflüssen besser zu schützen, wurde 2020 die Dark-Skies-Initiative gegründet. „Um den Status International Dark Sky zu erreichen, müssen wir als Gemeinschaft zusammenarbeiten, um die Lichtverschmutzung zu reduzieren“, sagt Bond. Mittlerweile sind Lampen ausgetauscht und Lichter zeigen auf den Boden statt in den Himmel. „Es ist deutlich dunkler als früher – und das hilft wiederum den jungen Vögeln, die sich nicht mehr so leicht verfliegen.

Sogar Saturn ist zu sehen

Ein weiterer positiver Effekt: Der Sternenhimmel von Kaikoura ist atemberaubend. Das zeigen am Abend Larry Field und Brian Horsfall durch ein großes Teleskop. Sogar Saturn mit seinen Ringen ist deutlich zu sehen.

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Übrigens: Kaikoura war ein Walfangort. Das Fyffe Haus – benannt nach dem ersten hier niedergelassenen Europäer und Walfänger Robert Fyfe und seinem Cousin George Fyffe – wurde auf Walknochen gebaut. Vom Haus aus ist eine Kolonie Neuseeländische Seebären zu sehen. Die Weibchen säugen ihre Jungen, während andere Tiere sich auf den Felsen sonnen. Sie haben von den Menschen nichts zu befürchten – auch die Wale nicht mehr: Der Walfang ist seit den 1960er-Jahren beendet und Neuseeland hat sich in einen Ort des Waldschutzes und der Walbeobachtung verwandelt.

Die Natur ist hier im Einklang, wenn man sie nicht stört. Wer nach Neuseeland reist, sollte dies bei jedem Schritt beherzigen. Dann wird dieses besondere Land am anderen Ende der Welt noch lange so schön und einzigartig bleiben.