Leben/Reise

Japan: Seltsame Kanincheninsel mit Abgründen

Eigentlich müsste diese kleine Insel Happy Island heißen. Nicht wegen der traumhaften Umgebung in der japanischen Seto-Inlandsee. Nicht wegen der Palmen, der weißen Sandstrände und der vielen anderen Inseln, die auf Ōkunoshima immer wieder im südseehaften Panorama liegen. Nein, die Gründe für die permanente Glückshormon-Ausschüttung sind ganz andere. Sie sind klein, haben ein flauschiges Fell, lange Ohren und eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen ist dauerhaftes Mümmeln, denn bei der geringsten Aussicht auf Futter kommen sie meist in Gruppen beschleunigt angehoppelt: die wilden und gleichsam zahmen Kaninchen auf Rabbit Island.

Füttern erlaubt

Seit Jahrzehnten haben die Tierchen die Insel nahe Hiroshima eingenommen und sind dort durch geballtes Niedlich-Sein zur Attraktion geworden. Allen Besucherinnen und Besuchern, die nach einer kurzen Fahrt von der Fähre strömen, sind auf die Begegnung mit den zuckersüßen Langohren entsprechend vorbereitet. Im Souvenirshop kann man sich vor der Abfahrt mit Futter versorgen. Viele haben aber auch einfach Gemüse gekauft. Ganz klassisch natürlich: Karotten oder Kohl.

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„Es wird vermutet, dass es über tausend Kaninchen gibt – wahrscheinlich auch noch mehr“, sagt Guide Mariko Doi. Tendenz steigend. Natürliche Feinde gibt es nämlich nicht. Dafür viele verlassene Tennisplätze. Und ein einziges Hotel, in dem sich Insel-Gäste nach der Kaninchen-Futter-Orgie selbst mit Oktopus oder Sobanudeln stärken und einer Flut an Andenken eindecken können. Bei der Inselumrundung zu Fuß wird aber auch schnell deutlich, dass es sich bei Ōkunoshima keinesfalls um ein ungetrübtes Paradies handelt. Die Geschichte wird überschattet von einem äußerst finsteren Kapitel, das einen mächtigen Kontrast zur unschuldigen Bunny-Begeisterung liefert.

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Dunkle Spuren

„Früher war diese Insel Sperrgebiet“, erklärt Mariko und zeigt ein paar alte Fabrikruinen. Ab 1938 wurde sie von Seekarten entfernt. Unter Geheimhaltung wurde von 1929 bis 1945 hier schließlich vom japanischen Militär Giftgas produziert – unter gefährlichen Bedingungen für die Arbeiter, viele von ihnen zwangsverpflichtete Koreaner. Ein kleines Museum erinnert an die Zeit und auf der Insel entdeckt man im dichten Grün noch einige Spuren dieser Vergangenheit.

Eigentlich würde der Rundgang kaum mehr als eine Stunde dauern – müsste man nicht ständig verzückt anhalten und mehr und mehr Kaninchen fotografieren und füttern. Wie die Tiere auf diese Insel gekommen sind? „Das ist nach wie vor ein Mysterium“, erklärt Guide Mariko. Manche glauben, sie wurden von Schulkindern ausgesetzt. Manche halten an der Theorie fest, es handele sich um Nachkommen der freigelassenen Versuchskaninchen aus dem Labor.

Was ist das nur für eine seltsame, winzige Insel am anderen Ende der Welt, denkt man sich, als die Fähre nach diesem Super-Niedlich-Rausch wieder in Richtung Wirklichkeit ablegt. Surrealer als unter Hunderten Kaninchen kann man sich nicht in Osterstimmung bringen.

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