Heidelberg: Mehr als nur Romantik - Studenten, Ruinen und Musikfestivals
Plötzlich war Heidelberg in Mode: Anfang des 19. Jahrhunderts strömten große Denker, Künstler und Schriftsteller in die lebendige Stadt. Achim von Arnim, Clemens Brentano, Joseph von Eichendorff und Friedrich Hölderlin begründeten die „Heidelberger Romantik“. Aber auch Friedrich Schiller, Geheimrat Goethe und Heinrich Heine waren da. Mark Twain verliebte sich während einer Schreibblockade in Heidelberg und schrieb später: „Das Schloss blickt auf die kompakte Stadt mit den braunen Dächern herab ... Ich habe noch nie eine Aussicht genossen, die einen so heiteren und befriedigenden Reiz ausstrahlt wie diese!“
Sie alle wurden vom bildschönen, harmonischen Gebäude-Ensemble aus rostrotem Buntsandstein aus dem Neckartal, der mächtigen Heiliggeistkirche, der altehrwürdigen Universität, der steinernen Alten Brücke über den Neckar, der Lage zwischen dem Fluss und sanften Hügeln und natürlich von der alles überragenden Schlossruine angezogen. Vor ihnen etablierte sich das Zentrum der Romantik als bedeutende Studentenstadt: Nach Prag, Wien und Paris wurde hier 1386 die vierte Universität Europas gegründet.
Neue alte Stadt
Doch eines muss klar sein: Ihr Heidelberg präsentierte sich komplett anders als die seit der Römerzeit gewachsene mittelalterliche Fachwerkstadt. Die heutige Altstadt entstand recht einheitlich im 18. Jahrhundert, später folgten verspielte neugotische Villen an den gegenüberliegenden Neckarhängen. Im Zuge der Erbfolgekriege marschierten 1689 und 1693 die Franzosen ein und erledigten den Auftrag, alles niederzubrennen so gründlich, dass nur elf Gebäude übrig blieben.
Maria Stuart war gar nicht amused
Schaurig-schöne Zeitzeugen der Massaker sind die Ruinen des einst stolzen Schlosses, das ab 1230 von den Wittelsbachern am Hügel südlich der Stadt errichtet und später von Kurfürsten erweitert wurde. Am prachtvollsten war der Friedrichsbau, den Kurfürst Friedrich V. als Wohnpalast mit üppig geschmückter, „sprechender“ Fassade und Kapelle für seine Gemahlin Maria Stuart errichten ließ. Der Wohnpalast sollte besonders schön werden, doch Marias Kommentar fiel ernüchternd (und definitiv unfair) aus: „Oh, was für ein Loch!“ wird überliefert. Sogar die Wehrtürme, die mit sieben Meter dicken Mauern als unzerstörbar galten, barsten unter vierzehn Tonnen Schwarzpulver. Als schräge Trümmer ergänzen sie heute die leeren Fassaden der einstigen Pracht. Der Wiederaufbau gelang nur teilweise, sodass am Schlossberg morbider Charme dominiert.
US-Soldaten: „Wir wollen euch nicht zerstören, wir wollen hier leben!"
Im Ersten und ganz speziell im Zweiten Weltkrieg hatte die Stadt weit mehr Glück: Als Wehrmacht-Stützpunkt blieb sie von Zerstörungen weitgehend verschont. Die Amerikaner waren in Heidelberg regelrecht verliebt und warfen Flugblätter mit der freundlichen Botschaft „Wir wollen euch nicht zerstören, wir wollen hier leben!“ ab.
Angesagte Studentenlokale
Bis heute machen Studenten ein Viertel der Bevölkerung aus. Entsprechend turbulent geht es zu: In der 1,6 Kilometer langen Fußgängerzone der Altstadt reiht sich Lokal an Lokal. Epizentrum der Nachtschwärmer ist die Untere Straße, angesagt sind Weinloch (die älteste Kneipe der Stadt), die Bar POP und die Kulturkneipe Destille. An den Fassaden der schönsten Gebäude kleben die Wappenschilde der Studentenverbindungen, von denen es immer noch rund fünfundzwanzig gibt. In der Alten Universität kann hinter barocker Fassade der einstige Karzer bestaunt werden: Es galt als Spaß und Ehre, im Studentengefängnis einzusitzen. Die Wände sind mit Malereien und Inschriften vollgekritzelt.
Doch die Studenten hatten auch Sinn für Romantik – wie die Nougatpraline Studentenkuss beweist. Die jungen Damen aus dem Lyceum und den vornehmen Pensionaten gingen einst gerne in die Café-Konditorei Knösel – der Sittsamkeit entsprechend stets in Begleitung wachsamer Gouvernanten. Die Herrn Studenten hatten keine andere Möglichkeit zum Flirten, als diskret mit einem feinen Schokoladekonfekt. Die Botschaft war klar – und die strenge Anstandsdame konnte nichts gegen das süße Geschenk sagen.
Anreise Wien–Heidelberg mit der Bahn in 7,5 bis 8,5 Std. oebb.at
Schlafen
– Arthotel: Denkmalschutz trifft Design, im Zentrum. arthotel.de
– Hotel zum Ritter St. Georg: Haus aus 1592. zum-ritter-heidelberg.de
– Hotel Holländer Hof: an der Alten Brücke, sehr gutes Frühstück. hollaender-hof.de
Essen
– Kulturbrauerei Heidelberg: historisches Ambiente, regionale Küche. heidelberger-kulturbrauerei.de
– Zeughaus-Mensa im Marstal: im historischen Zeughaus, für alle offen, günstig und gut. stw.uni-heidelberg.de/de/zeughausmensa
Drei Musikfestivals Termine des Heidelberger Frühlings ’25:
– Streichquartettfest, 23. bis 26. Jänner
– Klassisches Musikfestival, 22. März bis 13. April
– Lieder, 24. Mai bis 1. Juni, heidelberger-fruehling.de
Auskunft heidelberg-marketing.de
Heidelberger Frühling
In einer Romantikstadt darf Musik nicht fehlen – hochkarätig kann sie alljährlich im Rahmen des Heidelberger Frühlings genossen werden. Das (vorwiegend klassische) Konzertfestival wurde 1997 gegründet und zählt mit Pianist Igor Levit als künstlerischer Leiter zu den bedeutendsten Europas.
„Wir holen die große musikalische Welt nach Heidelberg“, sagt Intendant Thorsten Schmidt. „Dank mehrerer Spielorte wie Jesuitenkirche, Aula der Alten Universität oder Neue Uni lernen Gäste unsere Wohlfühlstadt noch intensiver kennen.“ Und Schmidt weiter: „Nachwuchsförderung gehört zu unserer DNA: junge Künstler musizieren gemeinsam mit Weltstars und dürfen Erfahrungen sammeln.“
Der jährlich wechselnde Programmschwerpunkt widmet sich Komponisten oder gesellschaftspolitischen Themen (Details für 2025 werden Ende September bekannt gegeben). Eines steht aber bereits jetzt fest: Von der gebotenen musikalischen Vielfalt und Qualität wäre auch die anspruchsvolle Maria Stuart entzückt gewesen.