Kreuzfahrt-Boom trotz Kritik: Einblicke von Costa-Chef Zanetti
Von Axel Halbhuber
Man liebt Kreuzfahrten oder man, sagen wir: steht ihnen skeptisch gegenüber. Die Branche baut immer größere Schiffe, investiert zugleich viel in nachhaltigere Treibstoffe. In manchen Hafenstädten protestieren Bewohner ob der Passagiermassen, zugleich sind Cruises ein Wirtschaftsfaktor. Mario Zanetti ist Präsident von Costa Cruises, einer der großen Kreuzfahrtanbieter Europas. Wir baten ihn ins Studio von KURIER TV, um Klischees und Vorbehalte zu besprechen.
KURIER: Herr Zanetti, an welchen Ort am Wasser würden Sie reisen, wenn Sie zwei Wochen frei hätten?
Mario Zanetti: Das Meer selbst ist der schönste Platz auf Erden. Auf hoher See dahinsegeln ist einfach magisch, wenn du nur das Blau des Meeres siehst.
An Kreuzfahrten mögen die einen Stadtbesichtigungen und Ausflüge. Die anderen lieben die oversee-days, also die Tage auf hoher See. Sie scheinen der See-Typ zu sein?
Die Welt hält viele Schönheiten bereit, zwei davon sind das Meer und der Himmel. Der beste Weg, das wertzuschätzen, ist untertags und auch nachts auf hoher See zu sein. Ich genieße Raum und Zeit, den man dabei vorfindet.
Auf großen Kreuzfahrtschiffen ist man immer am Wasser und gleichzeitig ziemlich weit weg davon.
Das ist eine Frage der Perspektive. Wenn du auf dem offenen Meer dahingleitest, wird der Einzelne viel kleiner. Wenn du auf den Horizont starrst oder nachts in die Sterne schaust, fühlst du dich mit dem Meer wirklich verbunden.
Costa Cruises ist eine italienische Reederei ...
... und wir gehören zur Carnival Corporation, das ist der größte Player in der Kreuzfahrt-Branche weltweit.
Und wie viele Schiffe hat Costa derzeit?
Unter der Marke Costa haben wir derzeit neun Schiffe. Wir sind fast überall auf der Welt unterwegs. Im Sommer hauptsächlich im Mittelmeer und im Winter mehr in der Karibik, in Südamerika oder in Dubai. Die Weltreise startet wieder in wenigen Wochen, das ist stets ein Highlight für uns.
Zurück zu Ihren Anfängen. Sie stammen aus Genua?
Ja, genau. Ich bin der small town boy, der schon damals die großen Schiffe im Hafen bewunderte. Als ich dann auf die Universität ging, dachte ich mir: Ja, das ist interessant.
Sie sind 53 Jahre alt und arbeiten seit 1999 für Costa.
In meinen fünfundzwanzig Jahren bei Costa hatte ich viele Aufgaben: von der Preisgestaltung über Reiserouten-Planung bis hin zum Asien-Geschäft. Nach der Pandemie bin ich nach Europa zurückgekommen.
Die Kreuzfahrt-Industrie erlebt nach der Pandemie wieder einen Boom.
Ob wir bei Costa, bei Carnival oder im gesamten Business – wir haben hart daran gearbeitet, wieder dahin zurückzukommen. Wir haben immer investiert, das ernten wir jetzt.
Die Schiffe werden immer höher und breiter, eindrucksvoller. Mehr Arkaden, mehr Unterhaltung, mehr Restaurants. Auf der Costa Toscana und der Costa Smeralda haben über 6.500 Passagiere Platz. Ist das die Zukunft? Oder wird vieles wieder kleiner werden?
Wie in anderen Branchen auch gibt es bei uns kein „one size fits all“. Je nach Größe bedienen wir die Häfen mit größeren oder kleineren Schiffen. Ich würde nicht über einen Trend reden, dass alles größer wird.
Kritik an der Kreuzfahrt-Industrie bezieht sich oft auf die Größe der Schiffe und die Masse der Passagiere. Alle Reedereien versuchen, nachhaltiger zu werden – aber geht das mit so großen Schiffen?
Die ganze Welt muss auf nachhaltigere Modelle umsteigen. Die Kreuzfahrtindustrie arbeitet seit Jahrzehnten an dem Thema. Wir verstehen Nachhaltigkeit als Teil unseres Geschäfts. Unsere beiden Schiffe, Toscana und Smeralda, waren – zusammen mit einigen anderen bei Aida – bei den ersten, die mit Flüssigerdgas LNG betrieben wurden. Das ist ein sehr wichtiger Übergangstreibstoff. Wir haben ausgeklügelte Technologien, um an Bord Energie zu sparen. Wir trennen hundert Prozent des Mülls, der an Bord anfällt. Kürzlich haben wir ein Projekt mit einer italienischen Firma gestartet: Aus dem Plastikmüll an Bord werden Gläser hergestellt, die wir wiederum an Bord nutzen. Die Reise ist noch lang, aber die Investitionen und das Commitment dazu sind vorhanden. Wir werden das Ziel Null-Emissionen erreichen.
Aber noch mal: Wäre es nicht vernünftig, kleinere Schiffe zu bauen – auch, um der lokalen Bevölkerung in den Hafenstädten entgegenzukommen? Sind größere oder kleinere Schiffe die Zukunft?
Es ist kein Entweder-oder. Wir können ja vorhersagen und kontrollieren, wie viele Menschen von Bord gehen. Wir arbeiten seit Jahren mit den Städten zusammen, um die Besuche nachhaltiger zu gestalten. Ein Beispiel ist Dubrovnik, das lange überlaufen war.
Wo sollte jemand, der noch nie auf einem Kreuzfahrtschiff war zuerst hinfahren ?
Klassisch für Einsteiger ist das Mittelmeer, sehr zugänglich, mit wunderschönen Plätzen.
In welcher Kabine?
Eine der Balkonkabinen. Es kommt darauf an, ob du sehen möchtest, wohin du fährst oder was du zurücklässt.