Leben/Gesellschaft

Konfliktstoff auf vier Pfoten

Es wird mir jedes Mal mulmig, wenn uns ein großer Hund entgegenkommt“, gibt Sharon Heinschink zu. Wenn Sohn Rumi im Kinderwagen sitzt, ist er mit vielen Hunden genau auf Augen- bzw. Maulhöhe. „Und letztens wurde er im MuseumsQuartier von einem Hund in die Hand gebissen.“

Denn des Menschen bester Freund ist vielfach auch sein liebster Feind: Immer wieder kommt es zu Vorfällen, bei denen Hunde, die „nur spielen wollen“, Menschen verletzen. Der Grant auf nicht angeleinte Hunde in der Stadt wächst.

Hundebesitzer ihrerseits sind vielfach verzweifelt, weil sie nicht wissen, wo sie ihren Vierbeiner frei laufen lassen können. Genau das ist nämlich Bedingung für eine artgerechte Haltung, die das Tierschutzgesetz fordert.

„Das Bewegen an der Leine reicht für Hunde nicht aus, wenn der Besitzer nicht gerade ein Jogger ist. Sie brauchen das freie Laufen, das Sich-Auspowern, damit sie ausgeglichen sind“, ist Hundebesitzerin Susanne Tröster überzeugt. Die erfahrene Hundetrainerin Sabine Hahndl stimmt ihr darin zu.

Zu viele Gesetze

„Wenn man sich an alle Gesetze hält, wird es schwierig für Hundebesitzer, einem Hund die nötige Bewegung zu verschaffen“, ergänzt Tiermedizinerin Sabine Schroll. „Das führt zur Gewichtszunahme. Es folgt die bekannte Spirale mit immer weniger Bewegung. Zusätzlich kann Bewegungsmangel in Frustration, ja Aggression münden.“ Nur: Wo kann man den Hund noch von der Leine lassen?

In Städten gilt als einzige Lösung die „Hundezone“ – ein umzäuntes Gebiet ohne Leinenzwang. In Wien gibt es mittlerweile an die 160 solcher abgegrenzter Bereiche. Mit knapp 190.000 Quadratmetern ist die Zone im Prater unter Hundehaltern in ganz Wien beliebt: Tierärztin Eva Haider ist hier mit fünf Hunden unterwegs, die schwanzwedelnd um sie herumlaufen. „Mit Leine wäre ein Spaziergang kaum möglich“, erläutert die Tierärztin. „Als ich noch im 5. Bezirk wohnte, war das immer sehr mühsam.“

Trotzdem kommt es gerade im Erholungsgebiet Prater immer wieder zu Streitigkeiten. Der Park ist auch bei Radlern und Joggern beliebt.

Gerald Pötz vom Österreichischen Hundehalterverband erwidert: „Sportler können bei Hunden nun mal den Jagdinstinkt wecken. Pötz ist mit der Hundezonen-Situation in Wien nicht zufrieden. „Hundezonen bestehen oftmals nur aus Schotter und Erde. Das bietet einen perfekten Nährboden für Bakterien. Vor allem für junge Hunde kann die Hundezone deshalb zum Problem werden.“

Zu klein

Eine zweite Problematik:Die Größe. Denn Hundezonen machen erst ab einer Größe von 1000 Quadratmetern Sinn, bestätigt Sonja Klingelhöffer von der Initiative „Mehr Platz für Hunde“.

Gerald Pötz wäre ohnehin für eine andere Lösung: „Die Hunde einfach in ein Eck zu sperren ist der falsche Weg, sie gehören integriert.“ Sein Vorschlag: eine Punktesystem, wie es in Teilen Deutschlands der Fall sei. „Für falsches Verhalten bekommen Hundebesitzer einen Punkt. Ab einer gewissen Anzahl werden Schulungen verordnet.“ Pötz ist sicher: „Es gibt Möglichkeiten für ein reibungsloses Miteinander.“kurier.at/wienAlle Hundezonen Wiens im Überblick

„Wenn ich an der Donaulände spazieren gehe, werde ich ständig von entgegenkommenden Radfahrern oder Läufern angepöbelt. Obwohl ich grundsätzlich Rücksicht nehme“, berichtet die Hundebesitzerin und Tierärztin Susanne Tröster von der beliebtesten Kremser Sport- und Promenierstrecke.

Wohin also ausweichen? Raus aus der Stadt, in die freie Natur? Dort gebietet allerdings das Jagdgesetz Einhalt: „Genau genommen ist es nur dann erlaubt, mit einem Hund ohne Leine zu gehen, wenn er so gut abgerichtet ist, dass er hundertprozentig folgt. Und selbst dann darf man ihn nicht frei laufen lassen, sondern muss ihn bei Fuß führen. Einen Hund neben dem Weg im Dickicht herumstöbern zu lassen, ist sowieso nicht in Ordnung“, führt Alois Gansterer vom nö. Landesjagdverband die Ansicht seiner Juristen aus.

Kontrolle

Auch Tröster ist allerdings der Meinung, dass man seinen Hund unter voller Kontrolle haben muss, wenn er nicht angeleint ist, damit man ihn auch dann stoppen kann, wenn ein aufgeschrecktes Tier den Jagdinstinkt auslöst. „Bei meinem Hund ist das der Fall. Aber das gilt nicht für allzu viele.“

Deutlich ist in diesem Zusammenhang das Forstgesetz, so der Kärntner Forstjurist Peter Herbst: „Das Betreten des Waldes zu Erholungszwecken ist Menschen gestattet. Hunde sind von dieser Regelung nicht umfasst, dafür wäre die ausdrückliche Einwilligung des jeweiligen Waldeigentümers erforderlich.“ Der Kern der heute immer öfter auftretenden Konflikte sei die Großzügigkeit der Waldeigentümer, die die Mitnahme von Hunden meist tolerierten. „Diese Freundlichkeit wird ausgenutzt – und bald als Anrecht verstanden“, meint Herbst. Er rechnet in Zukunft wegen ständig steigenden Nutzungsdrucks auf die Natur mit einer Zunahme solcher Konflikte, was Waldbesitzer wohl zwingen wird, ihre Rechte auch durchzusetzen.

So müsste der Hundebesitzer vor jedem Auslauf auf einer Wiese zwei Mal Erlaubnis einholen: Vom Grundbesitzer und den Jagdausübungsberechtigten. Denn praktisch alles, was nicht umzäunt ist, gehört auch zu einem Jagdrevier.

Einen Überblick und Bewertungen der Hundezonen Wiens finden Sie auf www.hunde-zone.at.