Giving Tuesday: Von der Kraft des Gebens
Grelle Rabatt-Plakate in fast jeder Auslage, blinkende Banner in allen Onlineshops, eine Flut an Werbezuschriften im (digitalen) Postfach: Am vergangenen "Black Friday" lockten auch heuer weltweit wieder zigtausende Unternehmen mit Angeboten. Der ursprünglich US-amerikanische Aktionstag wird am Tag nach Thanksgiving begangen; am darauffolgenden "Cyber Monday" zieht der Onlinehandel nach. Was das Vorweihnachtsgeschäft in Schwung bringen soll, stößt in jüngster Vergangenheit auf immer mehr Kritik.
In Österreich fand dieses Jahr erstmals der "White Monday" (am 25. November) größeren Niederschlag in den sozialen Netzwerken. Dort sprachen sich Privatpersonen und Unternehmen für den Boykott des "Black Friday" aus. Ausgerufen wurde er von der Naturschutzorganisation Greenpeace, denn auch die Umwelt leidet unter dem künstlichen geschaffenen Konsumwahn. Die Millionen Bestellungen etwa, die online aufgegeben werden, müssen zu den Kunden transportiert werden. Die Initiatoren des "White Monday" wollen Konsumenten nicht dazu bringen, gar nichts mehr zu kaufen – aber bewusster und nachhaltiger.
Zurückgeben
Weniger ökologische, vielmehr soziale Beweggründe stehen hinter dem heutigen „Giving Tuesday“ (www.giving-tuesday.at), der 2012 ebenfalls als Gegenbewegung zum "Black Friday" ins Leben gerufen wurde. Das Motto: "give back", also zurückgeben, wovon man selber genug hat und Solidarität mit jenen zeigen, die Unterstützung brauchen. "Der 'Giving Tuesday' ist eine globale Bewegung, die auch in Österreich in immer größerem Stil zelebriert wird", sagt Günther Lutschinger, Geschäftsführer vom Fundraising Verband Austria. "Es gibt insgesamt über 100 ehrenamtliche Projekte und Aktionen, bei denen Geld gesammelt wird. Nicht nur von gemeinnützigen Organisationen, sondern auch von Unternehmen, die bereit sind, eigene Sammelaktionen zu starten." Der Aktionstag werde maßgeblich von der Jugend getrieben, "die sich bezüglich des Konsumwahns kritisch zeigt".
Trends beim Geben
Stichwort Jugend: Die geht beim Spenden neue Wege. Wie Zahlen des Sozialforschungsinstitutes Public Opinion zeigen, fördern junge Menschen mit ihrem Geld Bettler überproportional stark. 38 Prozent der jungen Bevölkerung geben an Bedürftige, das liegt zehn Prozent über der Gesamtbevölkerung. "Und sie engagieren sich stark über soziale Medien, Spenden-Apps und digitale Plattformen. Sie suchen gezielt nach Aktionen, die ihren Lebensgeist widerspiegeln", sagt Lutschinger. Die Digitalisierung habe in der jungen Zielgruppe mittlerweile erheblichen Einfluss: "Die Erlagscheinspende hat bei den Jungen ausgedient. Sie spenden eher vereinzelt und für Projekte, weniger dauerhaft für Organisationen", sagt Lutschinger.
Gemeinnützige Vereine und Sozialprojekte sind vielfach auf private Spenden angewiesen. Wie auch in den vergangenen Jahren zeigten sich die Österreicherinnen und Österreicher auch heuer wieder spendenfreudig. Mit rund 700 Millionen Euro an Spendengeldern wird 2019 ein neuer Spendenrekord aufgestellt. "Erfreulich ist nicht nur die Summe, sondern auch, dass sich der Anteil der Spender mit rund zwei Drittel relativ konstant auf hohem Niveau befindet", sagt Lutschinger. Wesentlich sei, dass Österreich nach wie vor ein spendensicheres Land sei, "dass also Spendengelder ordnungsgemäß verwendet werden".
Spendenfreude
Das Glücksgefühl nach dem Geben ist übrigens wissenschaftlich nachgewiesen: "Unsere Forschung hat gezeigt, dass es eine Verbindung zwischen Glücksgefühl und Großzügigkeit im Gehirn gibt", sagt Philippe Tobler, Neurowissenschafter von der Universität Zürich. "Wir haben eine Hirnregion gefunden, die besonders aktiv ist, wenn man sich großzügig statt eigennützig verhält." Diese Region kommuniziere wiederum stark mit Bereichen im Hirn, "deren Aktivität die Stärke des Glücksgefühls wiedergibt". In der modernen Verhaltensökonomik und Psychologie findet man mehrere Erklärungsansätze dafür, warum Menschen spenden. "Beispiele sind das Bedürfnis, anderen in Not zu helfen, die Abneigung gegen Ungleichheit in der Verteilung von Reichtum, die einfühlende Anteilnahme am Schicksal anderer, das positive Gefühl, Gutes zu tun und richtig zu handeln. Oder auch die Verbesserung des eigenen Rufes und Vermeidung von Schuldgefühlen", sagt Tobler. Dabei spielen individuelle und situationsspezifische Faktoren eine große Rolle: "Wir helfen Menschen, die uns ähnlich und nah sind stärker als Leuten, mit denen wir wenig gemeinsam haben."
Das zeigen auch die Erhebungen von Public Opinion: Im Schnitt steuert die Bevölkerung zwischen dem Burgenland und Vorarlberg pro Kopf 113 Euro für gemeinnützige Projekte bei. Besonders gerne greifen die Österreicherinnen und Österreicher für Kinder, Tiere und den inländischen Katastrophenschutz in die Tasche. In den vergangenen zehn Jahren sind auch die Spenden für sozial benachteiligte Menschen gestiegen.
Kritisch sieht Lutschinger die Spendenabsetzbarkeit in Österreich. So bemängelt er etwa, dass inländische Bildung, etwa viele Vereine für lernschwache Kinder oder Schulen, nach wie vor nicht spendenbegünstigt sind. Auch beim Tierschutz (derzeit sind nur Spenden an Tierheime von der Steuer absetzbar) und Sport "gibt es auf jeden Fall Nachholbedarf". "Denn", sagt Lutschinger, "immerhin ist Spenden Teil des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das, was uns als Gemeinschaft ausmacht, ist das gemeinsame Geben".
In der Vorweihnachtszeit hält in Österreichs Haushalten nicht nur die Besinnlichkeit Einzug. Viele wollen die Wochen vor Heiligabend auch nutzen, selbstlos gemeinnützige Organisationen zu unterstützen. Worauf es dabei zu achten gilt.
Intuitiv spenden
Es mag platt klingen, ist beim Spenden aber auf jeden Fall angebracht: Hören Sie auf Ihr Herz. Welches karitative Projekt ist Ihnen persönlich wichtig? Was wollen Sie mit ihrer finanziellen Zuwendung erreichen? Wer sich diese Fragen stellt, wird keine Schwierigkeiten haben, aus dem vielfältigen Angebot an Spendenoptionen zu wählen.
Mindestbetrag geben
Einzelne, großzügigere Spenden sind wirkungsvoller als viele kleine Beträge. Eine Spendenhöhe von 30 bis 50 Euro pro Verein ist ratsam. Das ermöglicht Organisationen und Vereinen eine bessere und längerfristigere Planung. Mit drei bis vier Spenden pro Jahr kann noch nachhaltiger geholfen werden.
Qual der Wahl
Entscheiden Sie sich für ein bis drei Projekte, die Sie fördern wollen und bleiben Sie ihnen wenn möglich treu. So bleibt der Verwaltungsaufwand möglichst gering.
Vorteil teilen
Mit der Spendenabsetzbarkeit können Sie sich bis zu 50 Prozent Ihrer Spende vom Finanzamt zurückholen. Geben Sie diesen Vorteil doch gleich in Form einer höheren Spende an die gemeinnützige Organisation weiter.
Gütesiegel beachten
Das Österreichische Spendengütesiegel steht für geprüfte Spendensicherheit durch strenge Qualitätsstandards. Eine Liste aller Organisationen finden Sie unter www.osgs.at.