Leben/Gesellschaft

Zurück in die gemütlichen Siebziger: Wie wir jetzt wohnen wollen

Wo kommt denn plötzlich die viele Farbe her? Skandinavisches Design ist für Purismus in Weiß- und Brauntönen bekannt und wurde vor Jahren zum weltweiten Trendangeber in Sachen Inneneinrichtung.

Umso überraschender waren nun die neuen Möbelstücke der Kopenhagener Designweek: Im hohen Norden ging es unerwartet bunt in Lachsrosa bis Apfelgrün zu. Und auch auf der Mailänder Möbelmesse waren satte Farben und Sieberzigerjahre-Flair präsent – mit vielen Teppichen, auffälligen Muster-Tapeten und Orange- und Grüntönen.

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Mehr ist mehr

„Der Minimalismus hat sich dieses Jahr verabschiedet“, bringt es Innenarchitektin Adreea Cebuc auf den Punkt. Die Gründerin von „C’est Design“ ortet ein Verlangen nach mehr Gemütlichkeit und Gesellschaft in den eigenen vier Wänden – so wie das Credo auch schon in den Siebzigerjahren lautete.

Von den strengen Sechzigern führten die Studentenproteste der 68er-Bewegung zu zwanglosen, bequemen Zusammenkünften in großen Gruppen. „Alles wurde bodennah und rund. Sitzsäcke kamen damals in Mode und große, abgestufte Wohnzimmerecken mit tiefen Sofas, die sogenannten Conversation Pits“, erklärt Cebuc.

Durch die Pandemie verspüren wir wieder einen verstärkten Drang nach Zusammenkünften in lauschigen Wohnzimmern, finden auch die US-Möbelhersteller „Arlo and Jacob“, die nun verstärkt Möbel im Seventies Stil verkaufen. „Die Vorstellung, mit lange vermissten Freunden, der Familie oder den Nachbarn wieder Zeit zu verbringen, beeinflusst unser Einrichtungsverhalten. Es lässt uns auf die Siebziger zurückkommen – eine Zeit, in der Geselligkeit viel Platz eingeräumt wurde.“

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Das bestätigen auch Andreea Cebuc und ihr übervoller Terminkalender seit der Pandemie. „So viele Anfragen für Privathäuser- und Wohnungen hatte ich noch nie.“ Die Österreicher hätten zwar per se keine große Passion fürs Detail. Seit sie aber mehr Zeit daheim verbringen, sei das Interesse für Farben und die passende Einrichtung auch hierzulande viel ausgeprägter geworden. Dabei lautet das derzeitige Motto: mehr ist mehr. Der zurückhaltend und eher unpersönliche Industrial-Stil war gestern.

Zur aktuellen „Feelgood“-Optik passen auffällige geometrische Muster auf Tapeten, extratiefe modulare Sofas, Topfpflanzen, Holzvertäfelungen, große Wandbilder und alles, was heimelig ist – etwa Teppiche, Rattan oder eine Armada an Kissen. Bücherregale sind ebenso willkommen wie Skulpturen oder extravagante Vasen.

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Persönlicher einrichten

Ein wesentliches Merkmal ist, dem Eigenheim mehr Individualität zu verpassen. Mit Fotos, Andenken oder Erbstücken. Ob das alles dann auch perfekt zusammenpasst, ist zweitrangig. Es geht nicht darum, möglichst viele Dinge anzuhäufen, sondern die vier Wände einzigartig und persönlicher zu gestalten.

Wahre Puristen werden mit dem Interior-Trend wenig Freude haben. Wer aber auf mehr Sinnlichkeit und Emotion setzt, der kann schon einmal alte Erinnerungsstücke entstauben.

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Andreea Cebuc wurde als Modebloggerin  mit dem Instagram-Account „Les Factory Femmes“ bekannt. Seit 2016 ist die gelernte Architektin aber auch selbstständige Inneneinrichterin mit ihrem Wiener Studio „C’est Design“ (ihre Arbeiten auf Instagram hier). Sie gestaltet Shops (Belvedere Vodka), Lokale (Aurora Rooftop Bar) und Schaufenster für Hérmes, Julius Meinl oder Vitra. Seit der Pandemie gibt es auch immer mehr Anfragen für private Wohnungen und Häuser.

Die derzeitigen It-Pieces für den ultimativen Siebziger-Vibe fasst Cebuc für den KURIER zusammen: Der Ultrafragola Spiegel, der gefühlt in jedem Blogger-Ankleideraum steht. Schon 1970 sorgte Ettore Sottsass mit dem beleuchteten Wellenspiegel  Aufsehen.

Auch die  Lampe namens Snoopy von Flos in Flaschengrün oder Orange ist  eindeutig aus den Siebzigern, aber dennoch zeitlos und damit eine Investition wert.

Kostengünstig Akzente setzen

Der geschwungene Panton Chair oder der runde Rollcontainer von Kartell sind ebenfalls Siebziger-Highlights – jedoch aus Kunststoff hergestellt. Was damals als modern galt und einen Siegeszug feierte – unkaputtbare, leichte Möbel aus Plastik – sind in Sachen Nachhaltigkeit heute verpönt. Eine Alternative sind recycelte Angebote oder originale Vintage-Errungenschaften.

Wer kostengünstig Akzente setzen will, kann in knallige Kissen investieren, anstatt gleich die Couch (z.B.: Soriana von Cassina) auszutauschen, rät Cebuc. Und mit Retro-Nachttischlampen und  auffälligen Vasen in satten Tönen lassen sich ebenfalls schnell Seventies-Hingucker anschaffen.