Leben/Gesellschaft

Walking Football: Ich geh’ jetzt wieder zum Fußball

Magischer Moment: Wenn du den Ball so wie früher mit dem linken Fuß stoppst und dann mit Rechts zum besser positionierten Mitspieler weiterleitest. In diesem Moment ist vieles ausgeblendet: Die lädierten Knie, die lästige Metallplatte auf dem rechten Schienbein, dein fortgeschrittenes Alter, die weißen Haare der Mitspieler. Auch, dass man bei dieser neuen Variante des Fußballspiels nur gehen, nicht laufen darf.

Walking Football geht gerade in vielen Ländern Europas so richtig durch die Decke: 2011 in England erfunden, spielt man mittlerweile von Glasgow über Dortmund bis Madeira, von Lissabon bis Budapest.

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Nach wenigen Schritten

Ein KURIER-Redakteur begab sich daher auf Studienreise ins längst elektrisierte Fußball-Deutschland – und war nach wenigen Schritten mehr als nur angetan.

„Ball flach halten, nicht laufen, ein Fuß muss den Boden berühren“, gibt Benno Rupprecht, umsichtiger Gehfußball-Manager beim 1. FC Nürnberg, dem Studioso aus Wien mit auf den Weg. Danach geht’s flott zur Sache: nach dem Aufwärmen Passübungen im Gehen. Die sind gewöhnungsbedürftig, aber erlernbar.

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Man muss es nicht schönreden: Mit den Zauberern Mbappé, Modrić oder Messi hat Walking Football so gut wie nichts gemein. Wie auch! Doch wenn es an diesem Vormittag bei einem Sechs-gegen-Sechs auf dem riesigen Campus des 1. FCN (Altersschnitt: 67!) bereits nach 11 Minuten 2:0 steht, ist für die zwölf Akteure anderes von Bedeutung.

Mehr als 1500 Schritte

Hand aufs Herz: Geht der ältere ballverliebte Mann zum Yoga? Nein! Zum Herz-Kreislauf-Training? Eher nein. Ins Fitness-Center? Nochmals eher nein. Doch hier beim Walking Football erwischen sie ihn endlich auf dem richtigen Fuß – jene, die die Gesundheit fördern und damit zu einem möglichst langen gesunden Leben verhelfen möchten.

Und für alle, die Geh-Fußball jetzt noch immer belächeln: Nach 15 intensiven Spielminuten sind die Trikots mehr als nur angeschwitzt. Der Schrittzähler steht bei 1.500. Und Einsteiger spüren wundersam Muskelgruppen, die bei ihnen schon länger in Altersteilzeit waren.

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Torjäger-Comeback mit 62

Werner Abraham, ein langjährig verdienter Ehrenamtlicher beim Hessischen Fußballverband, sagt daher zu Recht: „Probiert es aus, bevor ihr lästert. Das Spiel ist viel intensiver als es von außen aussieht.“

Und so geht nach der Präsentation des Wanderpredigers Abraham bei einem Sportverein im hessischen Grebenhain ein Teilnehmer mit jenem Satz nach Hause: „Wahnsinn, dass ich mit 62 noch ein Tor erzielen werde, hätte ich mir nicht gedacht.“

Geht nicht – gibt’s nicht? Oh, doch! Daher müssen Schiedsrichter öfters ihre Pfeife bemühen. Weil halt das Gehirn beim Kicken auf Laufen programmiert ist. Doch langsam klingelt’s, vor allem bei jenen, die auch hier die entscheidenden Pässe spielen können. Für alle, die Lust am Foulen haben, ist Walking Football hingegen höchst ungeeignet. Denn Körperkontakt ist nicht erlaubt.

Und die Knie? Werden weniger belastet als beim herkömmlichen Fußball. Während dort oft das Sechsfache des Körpergewichts auf die Gelenke einwirkt, fallen durch die Entschleunigung die hohen Stopp-and-Go-Belastungen weg.

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Und dann die „dritte Halbzeit“

Der Weltfußballverband FIFA hat Walking Football im Sommer 2022 als Spielvariante so wie Futsal oder Beachsoccer anerkannt. Die meisten deutschen Bundesligisten haben längst eigene hochaktive Sektionen gegründet.

Volker Rothenstein, der bei Eintracht Frankfurt gemeinsam mit Ex-Profi Norbert Nachtweih Fußball spielen geht, freut sich auf ein Turnier in London: „Da fahren wir mit dem Bus – gemeinsam mit unseren Freunden von Leverkusen, Schalke 04, Borussia Dortmund.“

Im gepflegten Vereinshaus des SC Opel Rüsselsheim bittet derweil Andrea Elisabeth Scholz nach dem Spiel der Gehfußballer zur „dritten Halbzeit“. Scholz, die ihre durchwegs männlichen Mitspieler richtig durcheinanderwirbelt, hilft heute auch in der Kantine aus.

Bei einem Kaltgetränk sagt sie: „Wichtig ist uns die Geselligkeit.“ Und dann ganz im Vertrauen: „Ich habe ja Walking Football am Anfang auch belächelt.“

Starthilfe: Das KURIER Medienhaus und der Sportdachverband ASKÖ ergreifen jetzt die Initiative und bringen in einer professionell vorbereiteten Kooperation Walking Football auch nach Österreich.

Angebot: Der erste „Lehrgang“ startet bereits am Freitag, 21. April, im ASKÖ Ballsport Center, 1220 Wien, Bernoullistraße 9 (Hallenschuhe!). Trainiert wird jeweils freitags von 10 bis 11.30 Uhr. Letzter Termin ist somit der 16. Juni. Geleitet wird das Sportangebot für maximal 24 Teilnehmer:innen von KURIER-Redakteur Uwe Mauch. Kostenbeitrag für neun Einheiten: 100 Euro pro Person. Anmeldung hier.