„O du fröhliche“ am Plaudertischerl
Von Uwe Mauch
Als er ein Kind war, war die Garage der erste und einzige Wohnraum. Sein Vater übte zwei Berufe aus, um das Geld für das Haus zu verdienen, das er selbst baute. Seine Mutter, die heute noch lebt, verzichtete auf einen Wintermantel, damit man ihm ein Paar Ski kaufen konnte.
Das Christkind hinterließ die Ski für den Walter hinter dem Vorhang in der Garage. „Zu essen gab es viereckige Fische mit Kartoffelsalat.“
Es sind die Erinnerungen an die Kindheit, die die sehr unterschiedlichen Menschen am Plaudertischerl sofort ins Gespräch bringen.
Das Plaudertischerl ist ein Angebot der evangelischen Diakonie in Kaffeehäusern in Wien und Niederösterreich sowie in der weiten Welt des Internets. Es soll für alle, die sich einsam fühlen, einen Ort schaffen, wo es Gemeinsamkeit für alle gibt.
Für den Vormittag des 24. Dezember lud die Diakonie ins Café Florianihof in Wien-Josefstadt. Es ist einer von mittlerweile fünfzig Betrieben in Wien, Krems und Sankt Pölten, die der Hilfsaktion trotz Pandemie einen Tisch zur Verfügung stellen. Ein kleines Schild mit eigenem Logo weist dezent und doch unmissverständlich darauf hin, dass das Tischerl reserviert ist. Hier herrscht kein Konsumationszwang.
Menschen, die sich heute ans Plaudertischerl setzen, sind in diesen Tagen mit ihren oft schmerzhaften Erfahrungen bei Weitem nicht allein: Bei einer Umfrage der Universität Wien gaben zwanzig Prozent der Befragten an, dass sie sich einsam fühlen. Erschreckend: Das sind doppelt so viele wie vor der Pandemie.
Weihnachten in Syrien
Fatima erinnert sich, wie das in ihrer Heimat war. Sie hat das vor dem Krieg in Syrien in einem kurdischen Dorf sehr genossen: „Zu Weihnachten feierten wir gemeinsam mit allen Nachbarn, die Christen waren. Am 21. März feierten sie mit uns unser Neujahrsfest Newroz. Das war so, wie es sein soll, sehr friedlich.“
Seit dem Jahr 2017 lebt die Mutter zweier Töchter in Wien. Auf die Frage, ob sie denn im Kindergarten und in der Schule auch die hiesigen Weihnachtslieder gelernt haben, nicken Simav (9) und Rohheiw (6) ein bisserl stolz.
Dem Walter, der an der Wiener Stadtgrenze nicht im Reichtum aufgewachsen ist, fällt dazu spontan ein: „Es ist wichtig, wie sich jemand gibt, nicht, was er glaubt.“ Einem Gedanken, dem die anderen Plauderer gerne zustimmen.
Den Kurden in Syrien ist es schon vor dem Krieg alles andere als gut gegangen. Am 12. März, erzählt Fatima, zünden sie Kerzen an. Ihr Licht soll an die Opfer eines Massaker erinnern, „bei dem 2004 am Rande eines Fußballspiels in Syrien 32 Kurden brutal ermordet wurden“.
Weihnachten in Eferding
Gegen Ende der friedlichen Veranstaltung im Florianihof schneit auch noch Maria Katharina Moser bei der Tür herein. Befragt nach ihrem allerschönsten Erlebnis zu Weihnachten, erinnert sich auch die Direktorin der Diakonie Österreich an ihre Kindheit – im oberösterreichischen Eferding. Sie war die älteste von vier Schwestern. Und für die jüngste Schwester wurde am Heiligen Abend gemeinsam der Christbaum aufgeputzt: „Dieses einzigartige Gefühl der Verbundenheit war etwas Besonderes“, berichtet die Theologin.
Klar, dass das Plaudertischerl dieses Gefühl nicht 1:1 ermöglichen kann, dennoch verabschiedete man sich mit großer Dankbarkeit.
Zuvor wollte noch die neunjährige Simav in die Runde gesagt haben: „Ich freue mich, dass wir heute noch am Leben sind.“
Die nächsten Treffen sind alle virtuell und werden von engagierten Freiwilligen moderiert:
Sonntag, 26. 12., 10 bis 11.30 Uhr: Weihnachtsplaudertischerl mit Sarah.
Freitag, 31. 12., 8 bis 9 Uhr: Gemeinsamer Jahresausklang mit Bernadette Bruckner.
Dienstag, 4. 1., 18 bis 19 Uhr: Offenes Plaudertischerl mit Rita.
Mittwoch, 5. 1., 17.30 bis 18.30 Uhr: Offenes Plaudertischerl mit Eveline, Laura und Tina.
Donnerstag, 6. 1., 8 bis 9 Uhr: Was ich mir für 2022 wünsche mit Bernadette Bruckner.
Mehr Informationen zum Hilfsprojekt sowie weitere Termine hier.