Flein statt Wein: Was fehlt, muss man erfinden
Reben sind für Veronika Mitteregger das Normalste der Welt, schließlich ist sie eine echte Winzertochter. Sie wuchs auf dem Weingut Gross in Ratsch in der Südsteiermark auf. 1907 gegründet, bewirtschaften Veronikas Brüder Johannes und Michael Gross sowie ihre Partnerinnen Martina und Maria heute den Familienbetrieb in sechster Generation. Veronika half bereits als Kind bei der Lese mit, doch als Jugendliche gab sie ein bisserl die Revoluzzerin und fand die große Stadt viel spannender. Ein Moped war ihr erster „Fluchthelfer“, später studierte sie in Salzburg und Wien Kommunikationswissenschaften und Kunstgeschichte.
In der Hauptstadt arbeitet sie heute noch für eine Werbe- und PR-Agentur. Trotzdem hält sie engen Kontakt zu ihrer schönen Heimat, pendelt zwischen den Welten. Als sie mit ihrem zweiten Bub schwanger war, mit der Familie am Tisch saß und alle mit Wein – natürlich aus eigenem Anbau – anstießen, vermisste sie den Moment des Genusses: „Das Zelebrieren des Getränks in der Gesellschaft hat mir gefehlt“, erzählt sie.
Veronika begann deshalb, sich auf die Suche nach einem alkoholfreien, aber würdigen Pendant zum geliebten Glas Wein zu machen und Fragen zu stellen: Ist es möglich, Traubensaft ebenso wertschätzend wie Wein zu erzeugen? Lassen sich die typischen Aromen einer Rebsorte in einem Saft konservieren? Und überhaupt: Warum gibt es eigentlich keine hochwertigen, sortenreinen Traubensäfte? Dazu muss man wissen: Die guten Trauben werden in der Regel zu Wein verarbeitet, der Rest zu Saft, oft mit zugesetztem Zucker, weshalb die Qualität mäßig ist. Und die Säfte erzählen im Gegensatz zum Wein keine Geschichte von ihrer Rebsorte.
Mit ihren Brüdern setzte sich Veronika zum Brainstorming an den Tisch. Sie zogen Saftexperten zurate, wählten schließlich 2018 gemeinsam ein Stück Weingarten aus, um einen ersten Versuch zu starten. „Ich wollte herausfinden, ob es möglich ist, die grünen Töne eines Sauvignon blancs oder das Traubige eines Gelben Muskatellers auch in einem Saft erlebbar zu machen“, erzählt sie. Ein Name für das Projekt war schnell gefunden: Flein.
Veronika und ihre Geschwister definierten also einen Weingarten mit Sauvignon-Blanc-Rebstöcken, der – speziell nach den Bedürfnissen des späteren Safts – von Hand gepflegt und auf biologische Bewirtschaftung umgestellt wurde. Die Trauben wurden drei Wochen früher geerntet als für diese Rebsorte üblich, um mehr Säure zu erhalten.
Kompromisslos
„Wir wählten einen geringen Auspressungsgrad von etwa fünfundfünfzig Prozent, das entspricht der eines Champagners. Bitterstoffe und unreife Nuancen bleiben zurück“, so die Saft-Expertin. Kompromisslos wurde nur der beste Teil der Beere zu Flein veredelt. Und zwar zu einem reinen Naturprodukt – ohne künstliche Zusätze. Um dieses haltbar zu machen, muss man es pasteurisieren. „Da das Erhitzen den Aromen den Garaus macht, mussten wir dafür eine behutsame Lösung mit deutlich geringerer Hitze finden“, erklärt Veronika. „Die schonende Pasteurisierung findet nun in der Flasche statt, wobei der Saft nur kurz erwärmt und schnell wieder abgekühlt wird, um die sortentypischen Aromen zu bewahren.“
Heraus kam ein Premium-Saft, wie ihn sich die Winzertochter erträumt hatte: schlank, elegant und von einer schönen Säure getragen, der pur getrunken als Aperitif und Speisenbegleiter funktioniert. Veronika ahnte, dass es einen Markt dafür geben würde. Sie dachte dabei nicht nur an Schwangere, sondern auch an Menschen, die in der Fastenzeit auf Alkohol verzichten, die aus religiösen Gründen abstinent sind. Anderen legt es der Arzt nahe, auf Prozentiges zu verzichten, oder sie müssen noch fahren.
Weinakademikerin Angelika Sternat über den Flein aus Gelbem Muskateller: „Muskatblüten, Löwenzahn und Salzzitrone, dann gelbe Paradeiser und nasser Stein. Am Gaumen animierend wie balanciert. Schmeckt salzig, spielt mit Noten von Zitronenabrieb, Ingwer und Grapefruit. Frischer Säurebogen, ummantelt von Honigwaben und Kamille.“
Spritfrei
Tatsächlich liegen „spritfreie“ Getränke-Begleitungen in der Spitzengastronomie im Trend. Zum Einsatz kommen selbst gemachte Kreationen, aber auch Craftbiere und Sake. Oder eben unvergorener Traubensaft, dem Wein ebenbürtig präsentiert und zelebriert. Aktuell bietet Veronika drei sortenreine Säfte (Sauvignon blanc, Schilcher und Gelber Muskateller) sowie einen Fizz mit zugesetzter Kohlensäure an, eine prickelnde Cuvée aus Sauvignon blanc und Gelbem Muskateller – das perfekte Getränk für heiße Sommertage.
Flein sei nur ein Arbeitstitel gewesen, eine „feine Alternative zum Wein“ eben. In Wien habe es aber auch ein Lokal gegeben, das so hieß. „Da hatte ich die ersten Dates mit meinem Mann.“
Anreise
Mit der Bahn z. B. bis Ehrenhausen. In der Region weiter mit dem Weinmobil Südsteiermark (tägl. von 10–23.30 Uhr), buchung.regiomobil.st
Flein aus Ratsch
Flein kostet zwischen neun und zwölf Euro pro Flasche. Er ist direkt bei den drei Winzern, deren Händlern und in ausgewählten Geschäften erhältlich. flein.net
Auskunft
Veranstaltungstermine und Infos auf steiermark.com