Eltern müssen Lehrer spielen
Von Ute Brühl
Nicht nur Schüler fühlen sich von der Schule oft überfordert, sondern auch ihre Eltern. KURIER-Familycoach Martina Leibovici-Mühlberger erlebt das häufig in ihrer Praxis: "Auf den Eltern lastet ein enormen Druck, weil sie für den Schulerfolg verantwortlich gemacht werden."
Väter und Mütter helfen den Kindern bei den Hausübungen oder lernen mit ihnen vor den Schularbeiten. Das auch dann, wenn die Kinder eine Ganztagsschule besuchen. "Freizeitbetreuer organisieren am Nachmittag meist Sport und Spiele. Am Abend, wenn alle müde sind, müssen sich Eltern um die Schule kümmern. Auf dieses System sind immer mehr Eltern grantig", sagt Leibovici.
Die Gesellschaft habe sich verändert, die Schule nicht: "Heute müssen oft beide Eltern arbeiten gehen. Früher hatten viele Mütter Zeit, sich mit den Kindern am Nachmittag hinzusetzen."
Gerhard Pammer von den steirischen Elternvereinen bemerkt sogar, "dass Eltern heute mehr mit ihrem Nachwuchs für die Schule arbeiten müssen." Das liege nicht daran, dass die Kinder in der falschen Schule sitzen. "Die Art des Unterrichtens hat sich geändert. Kinder sollen heute selbstständig lernen. Ihnen wurde aber nie das Handwerkszeug dafür gegeben. Die Organisation der Schule überfordert sie."
Zudem sei der Lehrplan überfrachtet, meint Pammer: "Der Stoff wird oft nur scheibchenweise und ohne logischen Zusammenhang unterrichtet. Es fehlt ein roter Faden."
Auch Nachhilfe könne keine Lösung sein, wie die dreifache Mutter Barbara Lechner meint: "Kindern wird so das Wichtigste genommen: freie Zeit."
Erfolgsfaktor
Bildungswissenschaftler Stefan Hopmann bestätigt den Eindruck der Eltern: "In Österreich ist die Familie zu zwei Drittel für den Schulerfolg ausschlaggebend. Die Schule ist nur der zweitwichtigste Faktor. Wobei es da zwischen den Standorten große Unterschiede gibt." Das hat Folgen für die Schulwahl: "Haben Eltern nur einen Pflichtschulabschluss, gehen ihre Kinder selten auf eine höhere Schule (siehe Grafik.) "
Das müsste so nicht sein, wie internationale Studien zeigen. "Es gibt Länder wie etwa Kanada, die es viel besser schaffen, dass der Bildungserfolg nicht so sehr von dem abhängt, was Eltern leisten können. Österreich steht da international schlecht da." Die Gründe dafür sind vielfältig. "Sicher hängt es auch damit zusammen, wie es im Klassenzimmer aussieht. Wir haben de facto ein Einheitsschulsystem, ohne auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder einzugehen."
Eine Reform der Schulstruktur sei nicht die Lösung: "Das merken wir an der Ganztagsschule. Dort erfahren die Kinder nicht die Unterstützung, die sie benötigen würden." Was also dann? "Gebt den Schulen endlich mehr Autonomie. Lasst sie selbst entscheiden, was nötig ist, damit Kinder gut und erfolgreich lernen können", sagt Hopmann.