Aufstand: Was Feminismus alles ist
Von Axel Halbhuber
Es wird nur mehr sehr wenig darüber gesprochen, was vor einem Jahr fast eine halbe Million Menschen unterschrieben hat: Dabei zeigten gerade die Forderungen des Frauenvolksbegehrens 2.0 sehr gut, wie differenziert die Themen sind, die man für einen Fortschritt bei der Gleichstellung von Frauen behandeln müsste.
Gestern sagte Alexander Van der Bellen dazu: „Niemand braucht eine Statistik um zu sehen und zu fühlen, dass völlige Gleichberechtigung in Österreich längst nicht hergestellt ist.“ Diese Worte richtete der Bundespräsident an die vielen Besucherinnen – und die wenigen Besucher – der Konferenz „#Aufstand“ gegen Ungerechtigkeit in der Lebensrealität, die das Frauenmagazin Wienerin veranstaltete. Die Idee des größten feministischen Events seit dem Volksbegehren: Frauen müssten nicht mehr nur Lösungen finden, sondern sie lauter fordern.
Auch Lösungen für jene Themen, die in der Bevölkerung nicht sofort mit Gleichberechtigung verbunden würden, abseits von ungleicher Bezahlung. Van der Bellen: „Frauen leisten den Großteil unbezahlter Arbeit. Frauen tragen so ein hohes Risiko, in Altersarmut zu leben. Frauen erleben sexualisierte Gewalt. Frauen stoßen in ihrer Realität auf viele Hindernisse und die gehören beseitigt.“
Männliche Algorithmen
Das betrifft Musikschaffende (beim großen Festival Nova Rock zum Beispiel betrug der Anteil von Frauenacts auf der Bühne zuletzt 3,8 Prozent) ebenso wie die Digitalisierung, erklärt Anna Steiger, Vizerektorin der TU Wien: „Es obliegt unserer Gestaltungsfreiheit, wie wir neue Technologien nutzen, aber auch zu achten, niemanden davon auszuschließen. Dafür ist unabdingbar, dass nicht fast nur der Typ ,männlich Mitte 20’ daran arbeitet.“
Als Beispiel nennt Steiger den jüngsten Aufschrei gegen Apple: Frauen werden bei Kreditkarten-Prüfungen schlechter bewertet als Männer. „Auf Nachfrage sagte man: Das liegt am Algorithmus. Als ob der vom Himmel gefallen wäre. Aber die entwickeln fast ausschließlich junge Männer.“
Auch solche Sorgen würden, wie fast alle, besonders bei Ein-Eltern-Familien schlagend, sagt Julia Stadlbauer von der Plattform für Alleinerziehende: „Gerade da kommen die Fragen der Gleichstellung besonders zum Tragen. Und das sind eben zu 90 Prozent Mutter-Kind-Familien. Benachteiligungen für Frauen spüren Alleinerzieherinnen besonders stark: Die Strukturen der Arbeitswelt sind nicht auf die Bedürfnisse von Müttern ausgerichtet.“ Daher seien Alleinerziehende auch ein Indikator für die Gesellschaft insgesamt. „Wenn die ein gutes Leben führen können, können es alle.“
Wir waren schon weiter
Im Bereich Kinderbetreuung würde aber vor allem noch immer das traditionelle Rollenbild herrschen, bedauert Papa-Blogger Michael Winischhofer, einer der wenigen männlichen Redner. „Frauen werden nach der Karenz oft in eine Teilzeit verschoben.“ Aber wie kann man die Männerbeteilung steigern? „Ich will nicht Väter in Karenz oder Elternteilzeit als Superhelden darstellen, aber man soll darüber reden, dass sie es machen, dass sie es gerne machen und dass es funktionieren kann. Das wäre ein Schlüssel.“
Die derzeitige Frauenministerin Ines Stilling sieht darin ebenfalls ein Rezept, wie man echte Gleichstellung erreichen kann: „Indem wir es einfach tun. Wenn jeder und jede etwas zur geschlechtergerechten Gesellschaft beiträgt, könnten wir sie gleich haben.“ Allerdings sagt die Ministerin auch: „Wir waren schon weiter. Etwa bei der Frage der gesetzlich ohnehin geregelten Abtreibungen, deren Verbot eine Petition heuer gefordert hat. Oder im Supermarkt, wo plötzlich manche Produkte für Mädchen extra rosa eingefärbt werden.“ Als Ministerin habe sie versucht, die „sexualisierte Werbung wieder in den Griff zu bekommen“.
Apropos Ministerin: „Ich bin in der glücklichen Lage, einer Regierung anzugehören, die zu 50 Prozent aus Frauen besteht. Und die Republik hat keinen Schaden genommen.“ Was wieder zum Bundespräsidenten führt, der sagt: „Wer glaubt, es sei nicht möglich, Geschlechterparität herzustellen, irrt gewaltig.“