Leben/Gesellschaft

Hier lernt jedes Kind nach seinem Tempo

Kindergeschrei hat hier Tradition: In der Semmelweis-Klinik kamen Tausende Babys zur Welt. Vor ein paar Jahren ist die Amadeus International School in einen der Pavillons gezogen – und wieder prägen junge Menschen das Gebäude.

Kindergarten, Volksschule und Gymnasium sind in diesem Campus vereint, in dem Schüler aus Österreich und Ländern wie Australien, Russland, Deutschland oder Chile gemeinsam lernen.

Rund 17.000 Euro kostet der Unterricht hier jährlich für einen Volksschüler – eine stolze Summe. Dennoch: Eine Insel will die Schule nicht sein. Sie kooperiert mit anderen, öffentlichen Schulen, betont Volksschuldirektorin Adelheid Gruber. "Es bringt ja nichts, in Österreich eine Schule zu bauen und internationale Kinder zu holen. Mein Anliegen ist es, dass österreichische Kinder eine gute Schule erleben und diese Erfahrung einmal weitergeben. Diese Kinder sind die Wähler und Eltern von morgen. Wenn die einmal durch die Schule gegangen sind, können sie das weitertragen." Das sei ein Bildungsauftrag, den manche internationale Schulen ignorieren.

Haltung der Lehrer

Aber was ist eine gute Schule? Individualisierung heißt das zentrale Motto guter Pädagogen. "Jedes Kind darf nach seinem Tempo lernen", sagt Gruber. Eine schöne Theorie, die nicht so leicht in die Praxis umzusetzen ist. Die wichtigste Voraussetzung dafür sei zunächst einmal die Grundeinstellung des Lehrers: Er müsse aktiv an seinem Bild als Pädagoge arbeiten und sich einige Fragen stellen: "Warum will ich individuell unterrichten? Warum ist es nicht wichtig, alle Schüler in Mathematik auf das gleiche Niveau zu bringen? Wie kann ein Schüler im späteren Leben erfolgreich sein, auch wenn er eine offensichtliche Schwäche hat?"

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Heißt: Zuerst die Änderung im Kopf, dann im Klassenzimmer. Das Handwerkszeug hat Gruber in einer öffentlichen Schule gelernt, bei der Lehrerin Ingrid Teufel, die in Wiens 15. Bezirk aus einer Volksschule eine Vorzeigeschule gemacht hat: Tafeln und Klassen im herkömmlichen Sinne gibt es dort keine mehr, gelernt wird in kleinen Gruppen. Es werden keine Fächer unterrichtet, sondern in Projekten gelernt.

Das Geheimnis des erfolgreichen individuellen Unterrichts: "Man hat als Lehrer unglaublich viel Arbeit mit der Vorbereitung", sagt Gruber, wobei sie auf drei Dinge besonders wert legt: "Das Wichtigste ist die Organisation der Räume. Kinder müssen wissen, wo sie was finden." Ebenso wichtig sei das Training der Schüler: "Sie müssen die Lerntechniken entwickeln und wissen, wo sie Unterstützung erhalten. Ich habe z. B. einen Kollegen, der sagt zu den Schülern immer: ‚Du darfst erst zu mir kommen, wenn du bei zwei Mitschülern warst und nicht mehr weiter weißt.‘ Der positive Nebeneffekt: Wer anderen etwas erklärt, wiederholt den Stoff und festigt ihn." Drittes Kriterium ist das Material: "Es muss genug Lernmappen, Tablets usw. geben." Das Know-how lernen die Lehrer auf Fortbildungen, "die bei uns eine Selbstverständlichkeit sind".

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Schwerpunkte

Der Vorteil an der Privatschule ist, dass sie sich die Lehrer aussuchen kann: "Alle müssen durch ein Bewerbungsverfahren, und auch einmal einen Unterricht gestalten", sagt Gruber: "Wenn wir nach ein paar Monaten merken, dass es dennoch nicht passt, können wir uns von ihm auch leicht wieder trennen."

Individualisiert wird bis zur Matura bzw. zum IB-Diplom: Ende der 6. Klasse setzen sich Lehrer, Schüler und Eltern hin und besprechen, welche Schwerpunkte ein Schüler in den kommenden zwei Jahren setzt.

Die Schüler müssen für das Diplom sechs Bereiche wie Mathematik, Muttersprache oder Naturwissenschaft machen. Sie können wählen, ob sie nur die Grundkenntnisse erwerben wollen, oder ob sie ein höheres Niveau in dem Fach erreichen wollen – in drei Bereichen ist ein "high level" aber Pflicht.

Privatschule

120 Schüler werden derzeit in der internationalen Schule in der ehemaligen Semmelweis-Klinik unterrichtet. Musik und Kunst sind Schwerpunkt: Wer z. B. Management lernt, der macht Kunstmanagement. Im Musictheatre werden Auftritte geprobt. Ein Instrument kann man, muss man aber nicht lernen.

Lehrplan

Es gibt einen Rahmenlehrplan für Schüler von 3 bis 12 Jahren. Manche lernen das Einmaleins in der 1., andere erst in der 2. Klasse Volksschule. Deutsch ist für alle Schüler Pflicht.

www.amadeus-vienna.com