Zwei Festivals in Litschau: Helden und Hauben rund um den Herrensee
Von Thomas Trenkler
Zeno Stanek ist unter anderem Intendant. Vor 15 Jahren etablierte er in Litschau das Schrammel Klang Festival. Die Ortschaft am idyllischen Herrensee im Waldviertel bot sich geradezu an. Denn dort war 1811 der Musiker Kaspar Schrammel geboren worden, dessen Söhne Johann und Josef mit ihren Kompositionen Furore machen sollten.
Weil das Festival derart erfolgreich war, gründete Stanek, 1971 in Wien geboren und längst ein halber Litschauer, vor drei Jahren ein zweites. Eines, das mehr mit seiner Profession – er leitet den Theaterverlag Kaiser – zu tun hat. Es nennt sich „Hin & weg“. Weil man als Besucher hingerissen ist: Den ganzen Tag über wird Theater gespielt – rund um den See, in alten Schuppen, leeren Geschäften und aufgelassenen Fabriken. Vorgestellt werden neue Produktionen, vor allem aber neue Texte.
Mit der Zeit hat sich eine Infrastruktur entwickelt: Stanek initiierte den Bau des Herrenseetheaters im Strandbad. Und nun wurde der Tausendsassa auch Hoteldirektor. Denn unmittelbar über dem See liegt das Feriendorf Königsleitn. Der Immobilien-Investor Günter Kerbler, ein gebürtiger Horner, hat es im Vorjahr erworben; als Geschäftsführer fungiert Stanek, der auch ein paar Anteile besitzt. Nach seinem Konzept wird die Anlage auch zum Theaterdorf: Die Tennishalle wird derzeit zu einem variablen Veranstaltungs-, Proben- und Arbeitsgebäude umgebaut. Denn Stanek will ganzjährig Camps und Workshops anbieten: „Wir wollen jungen Menschen die Augen fürs Theater öffnen.“
Aus dem wenig einladenden Resopal-Frühstückssaal wurde ein gemütliches Restaurant: „Mike Gaar hat in Salzburg in einem Haubenlokal gekocht und eine zweite Haube erkocht. Jetzt lebt er mit seiner Familie bei uns – und ist der Theaterdorfwirt.“
Das Schrammel Klang Festival bestreiten heuer u. a. die Geschwister Mondschein, das Duo Stickler & Koschelu, Tini Kainrath, Katharina Hohenberger, Die Strottern und das Kollegium Kalksburg. Das Programm ist auf zwei Wochenenden aufgeteilt (9.–11. Juli und 16.–18. Juli), damit sich nicht zu viele Menschen bei den Bühnen ballen. „Das Festival soll kein Massenereignis werden. Ich habe daher die Gelegenheit, also Covid, beim Schopf gepackt“, erklärt Zeno Stanek.
Auch thematisch hinterlässt die Pandemie Spuren – beim Festival Hin & weg, das an den Wochenenden 13.–15. und 20.–22. August stattfindet. „Ich wollte das Wort eigentlich verbannen – aber das ist unmöglich. Wir leben damit, wir müssen darüber reden, daher wird über Covid auch in den Stücken reflektiert.“ Das Festival steht daher unter dem Motto „Mut und Vergänglichkeit“.
All das Ungesagte
Exemplarisch nennt Stanek den Bühnenessay „Finale“ von Calle Fuhr am Eröffnungsabend. Er mache Mut, „auf die großen Herausforderungen unsrer Zeit“ (Klimakrise, Rechtsradikalität, Verschwörungstheorien etc.) zu blicken. Der neue Chef des Wiener Volkstheaters in den Bezirken, heuer „Dramatiker in Residence“, richtet zudem eine szenische Lesung seines Monologs „All das Ungesagte“ ein: Ein junger Mann lernt seinen Vater kennen – aber erst an dessen Grab. Zudem wird Fuhrs Monolog „Heldenplätze“ uraufgeführt: Gerti Drassl sinniert als Theresa über deren früh verstorbenen Bruder und den zweifelhaften „Helden“ Toni Sailer.
Es gibt auch einen Kafka-Schwerpunkt. Denn am 14. und 15. August 1920 trafen einander in Gmünd die Journalistin Milena Jesenská und der Schriftsteller zum zweiten Mal in ihrem Leben persönlich. Diese Begegnung fand Eingang in „Briefe an Milena“. Martina Winkel widmet sich auf den Tag genau 101 Jahre danach in assoziativen Schattenbildern der komplexen Liebesgeschichte.
Beteiligt sind heuer u. a. Fanny Altenburger, Markus Kupferblum, Erni Mangold, Anna Marboe, Ursula Mihelič, Ernst Molden, Christa und Kurt Schwertsik, Katharina Stemberger, Lukas Watzl, Anton Widauer, Doris Weiner.
Info: www.hinundweg.jetzt